Untergang des Kapitalismus? Die
'Krisis' und die Krise
Überarbeitetes
Referat, gehalten an der Universität Wien am 24.Juni 1998
bei der
Veranstaltung "Was ist der Wert? Was soll die Krise?"
von
Michael Heinrich
(erschienen
in: Streifzüge 1/1999)
In der Vergangenheit hat der Kreis um die Zeitschrift
"Krisis", dem auch mein Co-Referent Norbert Trenkle angehört, die
über den Wert vermittelte Form der Vergesellschaftung als den eigentlichen
Ansatzpunkt ihrer Kritik hervorgehoben. Damit unterscheidet sich dieser Kreis
positiv von vielen anderen, sich als links verstehenden Gruppen. Wie es sich
für eine ordentliche Kontroverse gehört, werde ich mich im Folgenden äußerst
kritisch mit Trenkle und der Krisis-Gruppe auseinandersetzen, doch sollte man
berücksichtigen, daß dies vor dem Hintergrund solcher Gemeinsamkeiten erfolgt.
Das Referat von Norbert Trenkle, auf das ich mich im folgenden beziehe,
erschien in Streifzüge 3/1998.
Wert und Tausch
In seinem Text hebt Trenkle hervor, daß
"Arbeit" keine ahistorische Bedingung menschlichen Lebens, sondern
eine besondere historische Form menschlicher Lebenstätigkeit ist, die sich erst
mit der Verallgemeinerung der Warenproduktion durchsetzt. "Arbeit"
sei hier eine von allen anderen Lebensbereichen abgetrennte und einem abstrakten
Zeitregime unterworfene Tätigkeit und somit selbst schon eine Abstraktion (also
noch vor der Unterscheidung in abstrakte und konkrete Arbeit). Dem ist ohne
weiteres zuzustimmen und richtig ist auch, daß dieser Sachverhalt im
"Kapital" nicht besonders klar herauskommt, sondern durch Marx' Rede
von der (nützlichen) Arbeit als "ewiger Naturnotwendigkeit" (MEW 23,
S.57) eher verschleiert wird.[1]
Und genauso berechtigt ist auch die Kritik an der im Marxismus weit
verbreiteten Auffassung, daß "die Arbeit" genauso Wert produzieren
würde wie etwa der Bäcker die Brötchen (Trenkle S.8).
Um so erstaunlicher ist daher die dann folgende
Argumentation von Trenkle, die sich kritisch auf mein Buch "Die
Wissenschaft vom Wert" bezieht. Dort hatte ich unter anderem zu zeigen
versucht, daß die werttheoretischen Grundbegriffe von Marx gewisse Ambivalenzen
aufweisen, so auch sein Begriff der wertbildenden abstrakten Arbeit. Einerseits
findet sich ein "naturalistisches Konzept", das abstrakte Arbeit als
Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im "physiologischen" Sinne
auffaßt (vgl. MEW 23, S.61), die (ganz wie der Bäcker die Brötchen) unabhängig
von allen Tauschvorgängen Wert "produziert", der somit bereits dem
einzelnen Produkt zukommt. Andererseits gibt es bei Marx aber auch ein
"gesellschaftliches" Konzept abstrakter Arbeit. Hier beruht abstrakte
Arbeit nicht auf "natürlichen" Attributen "der" Arbeit -
und nichts anderes ist die von Marx angeführte Verausgabung von Hirn, Muskel,
Nerv etc., (MEW 23, S.58) - sondern auf einem bestimmten gesellschaftlichen Geltungsverhältnis:
im Tausch gelten die verschiedenen Arbeiten als gleiche, was aber nur möglich
ist, wenn von ihrer realen Verschiedenheit abstrahiert wird. Abstrakte Arbeit
verdankt sich dann nicht "natürlichen" Eigenschaften "der
Arbeit", sondern einer unter bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen
stattfindenden Zuschreibung, die aber nur möglich ist, wenn "Ware" im
Plural auftritt (vgl. dazu MEW 23, S.87f; MEGA II.6, S.41 sowie Heinrich 1991,
S.167ff [1999, S.208ff]).
Die von mir kritisierte naturalistische Tendenz bei
Marx wird nun aber von Trenkle (S.8) insofern verteidigt, als er es als ganz
wesentlich ansieht, daß die Produkte noch vor dem Tausch Wertcharakter besitzen
(Trenkle S.9). Wenn ich Trenkle richtig verstehe, führt er dafür im
wesentlichen zwei Gründe an. (1) Die kapitalistische Produktion geschieht nicht
ins Blaue hinein, sondern ist immer schon auf den Markt ausgerichtet. Dies wird
von niemandem bestritten, nur stellt sich die Frage, ob die Verwertungsabsicht
des Kapitalisten und die entsprechende Organisation der Produktion bereits
ausreicht, dem Produkt Wertgegegenständlichkeit zu verleihen, oder ob es diese
erst im gesellschaftlichen Zusammenhang erhält. (2) "Davon zu sprechen,
daß der Wert in der Form des Tauschwerts erst auf der Ebene der Zirkulation
erscheint, setzt bereits die Einsicht voraus, daß er nicht hier entsteht, wie
Sohn-Rethel und andere Tauschtheoretiker sowie alle Vertreter der subjektiven
Wertlehre meinen; die Einsicht also, daß es einen Unterschied zwischen dem
Wesen des Werts und seinen Erscheinungsformen gibt." (Trenkle S.9) Hier
scheint mir zum einen ein gewisser Kategorienfehler vorzuliegen, wenn aus dem
"Ort" einer "Erscheinungsform" (Wert erscheint in der Zirkulationssphäre)
geschlossen wird, daß das Wesen, das da erscheint, dann aber an einem anderen
Ort "entstanden" sein müsse (in der Produktionssphäre): Differenzen
zwischen logischen Kategorien werden umstandslos mit Differenzen innerhalb
einer räumlichen Metapher ineins gesetzt.
Wichtiger ist jedoch, daß Trenkle überhaupt die Frage
stellt, "wo entsteht der Wert?". Explizit oder implizit wurde diese
Frage sowohl von der klassischen politischen Ökonomie als auch von der
subjektiven Wertlehre gestellt und von der ersten mit "in der Produktionssphäre"
von der zweiten mit "in der Zirkulationssphäre" beantwortet. Bei Marx
(sofern er nicht gerade "naturalistisch" argumentiert) wird dagegen
deutlich, daß sich bereits diese Frage einer dem Fetischismus der Warenproduktion
aufsitzenden Problemstellung verdankt. Für die Wertgegenständlichkeit gilt
nämlich das Gleiche, was Marx für die Äquivalentform ausführte: es handelt sich
um eine Eigenschaft, die einem Ding in einem bestimmten Verhältnis zu einem
anderen Ding zukommt und da die Eigenschaften der Dinge normalerweise nicht aus
ihren Verhältnissen zu anderen Dingen entspringen, sondern schon vorher da
sind, scheinen sie ihre Eigenschaften unabhängig von diesem Verhältnis
zu besitzen (vgl. MEW 23, S.72). Daß den Waren ihre Wertgegenständlichkeit auch
einzeln, unabhängig von dem gesellschaftlichen Zusammenhang zukommt, ist gerade
der Schein, durch den eine gesellschaftliche Eigenschaft in eine natürliche
verwandelt wird.[2] Der Wert
"entsteht" daher nicht irgendwo und ist dann "da", der Wert
ist vielmehr die gegenständliche Reflexion eines bestimmten
gesellschaftlichen Verhältnisses. Beim Brötchen macht es durchaus Sinn zu
fragen, wo es "entstanden" ist, ob in der Backstube oder auf der
Ladentheke; glaubt man aber dem Wert mit derselben Frage beikommen zu können,
dann deutet dies darauf hin, daß man doch noch die Vorstellung hat, daß die
Arbeit in einer ähnlichen Weise den Wert produziert wie der Bäcker das
Brötchen.
Aber warum ist diese Frage überhaupt so wichtig, daß
man damit das Publikum quält? Tatsächlich geht es um das Verständnis der
spezifischen Art von Gesellschaftlichkeit, die in der bürgerlichen Gesellschaft
existiert. Zwischen den Produzenten (unter kapitalistischen Bedingungen: den
kapitalistischen Unternehmen) existiert eine allseitige Abhängigkeit, zugleich
sind diese Produzenten aber unabhängig voneinander, die Produktion ist
"privat". Inwieweit diese "Privatproduktion" zum
Bestandteil gesellschaftlicher Produktion wird, stellt sich erst im nachhinein
heraus und zwar in einem über Geld (und weiterentwickelt: Kredit) vermittelten
Prozeß. Verlegt man nun die Wertgegenständlichkeit bereits in das privat
produzierte Produkt, dann gilt dieses bereits als an sich schon
Gesellschaftliches; die Vermittlung, in der die private Produktion überhaupt
erst als Gesellschaftliche anerkannt wird, wird dann zu einem bloßen
Randphänomen. Aber gerade die Formen dieser Vermittlung werfen entscheidende
theoretische Probleme auf: die zahlreichen Ansätze zur Wertformanalyse und der
unvollendete (und auf der gegebenen Grundlage wahrscheinlich auch nicht
vollendbare) Kreditabschnitt des dritten Bandes des "Kapital" machen
dies deutlich. Dementsprechend wurden im "klassischen" Marxismus der
Arbeiterbewegung, der ebenso wie Trenkle die Wertgegenständlichkeit der
Produkte bereits mit der kapitalistischen Produktion als gegeben ansieht,
gerade diese schwierigen Teile der Marxschen Ökonomiekritik weitgehend
ignoriert.[3]
Profitrate, produktive Arbeit und Krise
In den recht knappen Ausführungen zur Krise referiert
Trenkle (S.10) die bekannte Zusammenbruchsthese der Krisis-Gruppe, "daß
die moderne Warenproduktion in einen fundamentalen Krisenprozeß eingetreten
ist, der nur in ihrem Untergang münden kann", Begründungen werden
allenfalls angedeutet.
Nun sind Zusammenbruchstheorien keineswegs neu. Sie
gehörten vor 1914 zum ideologischen Kernbestand sowohl des "marxistischen
Zentrums" in der SPD um Bebel und Kautsky als auch des linken Flügels um
Rosa Luxemburg (wenngleich diese Theorien unterschiedliche politische Funktionen
hatten: beim Zentrum dienten sie der Rechtfertigung eines "revolutionären
Attentismus", man wartete auf den "großen Kladderadatsch"
(Bebel) und verwarf jede frühere revolutionäre Aktion als
"voluntaristisch"; bei Luxemburg hatte die Zusammenbruchstheorie
dagegen eine mobilisierende Funktion, die Linke hatte nicht nur den Gang der
Geschichte auf ihrer Seite, es sollte auch die mit dem Zusammenbruch
einhergehende Barbarei durch eine vorher stattfindende Revolution verhindert
werden). Auch die kommunistischen Parteien der 20er und 30er Jahre hielten an
der Zusammenbruchstheorie fest: Lenin hatte den Imperialismus bereits als verfaulenden,
im Niedergang befindlichen Kapitalismus charakterisiert und als sich dieser Kapitalismus
in den 20er Jahren unübersehbar erholte und sogar zu einer beschleunigten
Entwicklung der Produktivkräfte führte, wo doch Stagnation vorhergesagt war,
mußten Autoren wie Eugen Varga mit der These von der "allgemeinen Krise
des Kapitalismus" einspringen, wo jeder Aufschwung als letztes Aufbäumen
vor dem endgültigen (und durch den Aufschwung noch beschleunigten!) Niedergang
interpretiert wurde. Als dann der Marxismus im Gefolge der Studentenbewegung in
den späten 60er und den 70er Jahren in Westeuropa wieder Konjunktur hatte, gab
es auch wieder zusammenbruchstheoretische Ansätze (etwa bei Ernest Mandel),
wenngleich sie nicht dieselbe Bedeutung erlangten wie früher In den 80er Jahren
waren sie weitgehend verschwanden, bis sie schließlich von Robert Kurz und der
Zeitschrift "Krisis" wieder aus der Versenkung hervorgeholt wurden.
Gerade angesichts der vielfach zutreffenden Kritik an den Bornierungen des
klassischen Marxismus der Arbeiterbewegung ist es verwunderlich, daß sich die
Krisis-Gruppe nun ausgerechnet mit dieser Perle des Arbeiterbewegungsmarxismus
schmückt.
Problematisch sowohl bei den alten
Zusammenbruchstheorien als auch bei ihrem neuerlichen Revival ist bereits der
"Zusammenbruch" selbst: was für einen gesellschaftlichen Zustand soll
man sich darunter vorstellen? Elend und Massenarbeitslosigkeit überall? Aber
was ist dann der Unterschied zu einer "normalen" Krise? Oder wirklich
das Ende der Warenproduktion? Aus Trenkles Text kann ich keine eindeutige
Antwort entnehmen. Einerseits ist wie oben zitiert vom "Untergang der
Warenproduktion", also vom tatsächlichen Verschwinden der Produktionsweise
die Rede. Andererseits soll "theoretisch und empirisch" gezeigt
worden sein, "daß es keinen neuen, säkularen Akkumulationsschub mehr geben
wird, sondern daß der Kapitalismus unwiderruflich in eine barbarische
Niedergangs- und Zerfallsepoche eingetreten ist" (Trenkle S.10). In diesem
Fall gäbe es weiterhin Warenproduktion und Kapitalismus, aber stagnierend und
mit fürchterlichen sozialen Auswirkungen.
Drei Argumente werden bei Trenkle angedeutet (und zum
Teil in anderen Texten der Krisis-Gruppe ausgeführt), die zwar keinen
endgültigen "Untergang" der Warenproduktion, aber vielleicht den
"unwiderruflichen" Niedergang des Kapitalismus plausibel machen
können: (1) die "Abschmelzung der Arbeitssubstanz ... in den produktiven
Kernsektoren der Weltmarktproduktion", (2) der "fortschreitende
Rückzug des Kapitals aus riesigen Weltregionen", (3) die "gewaltige
Aufblähung und Entfesselung der Kredit- und Spekulationsmärkte".
Sehen wir uns diese Argumente im Einzelnen an. Am
schwächsten scheint mir Nr. 2 zu sein. Abgesehen davon, daß man diskutieren
könnte, ob der hier genannte empirische Befund tatsächlich so zutrifft (d.h.
gibt es tatsächlich "riesige Weltregionen", die schon einmal
kapitalisiert waren und erst jetzt entkapitalisiert werden?), läßt sich
die behauptete globale Niedergangstendenz mit ihm nicht begründen. Betrachtet
man die Entwicklung des Industriekapitalismus in den letzten 200 Jahren so gab
es ein ständiges Auf und Ab einzelner Regionen: die frühen Industriereviere in
Mittelengland, die Automobilindustrie in Detroit, das Ruhrgebiet sie alle waren
einmal zentrale Standorte des Kapitals, erfuhren einen Niedergang, neue
Standorte (im amerikanischen Sunbelt, in Südengland, in Süddeutschland) entstanden,
zum Teil konnten sich die alten Standorte erholen, zum Teil nicht. Dies gilt
aber nicht nur für die Bedeutung von Regionen innerhalb eines Nationalstaats,
sondern auch für Bedeutung ganzer Staaten und Weltregionen. Daß es sich im
Moment aber nicht nur um dieses Auf und Ab verschiedener Regionen handelt, daß
sich der Kapitalismus von einer weltumspannenden Macht auf wenige (und immer
weniger werdende) Inseln in einem Meer nicht-kapitalistischer Produktionsweise
zurückzieht, darauf scheint mir gegenwärtig nichts hinzudeuten.
Der in Argument Nr. 3 angesprochene Sachverhalt wurde
von Robert Kurz (1995b) ausführlicher behandelt. Bei der Lektüre dieses
Aufsatzes drängt sich aber der Eindruck auf, daß bereits die bloße Ausdehnung
von Kreditbeziehungen in der kapitalistischen Produktion schon als
Unterminierung der ganzen Produktionsweise angesehen wird, da die
Zinsforderungen, die aus den Krediten folgen, das "reale" Kapital
"einschnüren" und zu "ersticken" drohen. Nun hat bereits
Marx in seiner (sicher unzureichenden) Analyse des Kredits recht plausibel
herausgearbeitet, daß die Kreditvermittlung der Produktion und damit auch die
Aufspaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn gerade der Normalfall in
einem entwickelten Kapitalismus ist. Und in der Tat steigert der Kredit erheblich
die Dynamik und Flexibilität des Kapitalismus: zum einen ist die Akkumulation
des Einzelkapitals nicht mehr durch den von ihm selbst produzierten Profit
begrenzt, die gesellschaftlichen Ressourcen können erheblich schneller in neue
Kanäle geleitet werden, zum anderen hat gerade die "Einschnürung" des
Kapitals durch die Zinszahlungen zur Folge, daß das Einzelkapital auch
unabhängig von den Konkurrenzverhältnissen zur Steigerung der Produktivkraft
und zur Ökonomisierung des konstanten Kapitals gezwungen wird. Kann ein
Unternehmen bei diesem beständigen Wettlauf nicht mehr mithalten, dann
verschwindet es bei Kreditfinanzierung schneller als wenn es nur mit Eigenkapital
arbeiten würde und noch eine Zeitlang "von der Substanz" zehren könnte,
was zwar für den einzelnen Kapitalisten und die von ihm beschäftigten
Arbeitskräfte sehr unangenehm sein mag, die "Effizienz" des
kapitalistischen Systems als Ganzem aber erhöht. Kredit und Spekulation
steigern nicht nur Dynamik und Flexibilität des Kapitalismus, sie können auch
Krisen auslösen oder vorhandene Krisentendenzen verstärken, aber auch diese
Krisen sind für den Kapitalismus als Ganzen durchaus funktional. Wird der
"Zinsdruck" nicht nur für einzelne Kapitale, sondern für meisten
Kapitale zu stark, dann gerät nicht nur das "reale" Kapital unter
Druck, sondern auch das Bankensystem: dessen Kredite werden "faul".
Der zu hohe "Zinsdruck" wird dann durch eine Krise
"bereinigt", der sowohl ein Teil des industriellen wie des
Bankkapitals zum Opfer fallen mag, aber noch lange nicht das kapitalistische
System als Ganzes.
Bleibt noch das erste von Trenkle erwähnte Argument,
das auch in vielen Texten der Krisis-Gruppe eine wichtige Rolle spielt, das
"Abschmelzen produktiver Arbeit". Wenn ich es richtig sehe, dann
überkreuzen sich hier zwei verschiedene Argumentationslinien. Zum einen werden
Überlegungen aufgenommen, die Marx im Rahmen seiner Begründung des
"Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate" anstellt, zum
anderen wird mit einem neuen Begriff von produktiver Arbeit operiert.
Den langfristigen Fall der gesellschaftlichen
Durchschnittsprofitrate begründete Marx kurz gesagt damit, daß der Anteil des
"variablen Kapitals" (mit dem die Arbeitskraft gekauft wird) am
vorgeschossenen Gesamtkapital immer mehr abnehme, da die Steigerung der
Produktivkraft eine immer teurere Maschinerie erfordern würde. Mehrwert (und
damit auch seine verwandelte Form Profit) entstehe aber nur durch die
Verausgabung lebendiger Arbeitskraft, so daß das Kapital im Laufe seiner
Entwicklung die Quelle seiner Verwertung untergrabe und daher die Profitrate
langfristig sinke. Das Problem bei dieser Argumentation besteht darin, daß der
skizzierte Prozeß nicht nur den von Marx hervorgehobenen Aspekt (Vermehrung des
konstanten Kapitals gegenüber dem variablen) hat, der allein betrachtet eine
Senkung der Profitrate bewirkt, sondern auch noch andere, die Profitrate
steigernde Eigenschaften aufweist: die Produktivkraftsteigerung wirkt
verbilligend auf das eingesetzte konstante Kapital und außerdem steigert sie
die Mehrwertrate (d.h. die gleiche Menge Arbeitskraft liefert in derselben Zeit
einen größerer Mehrwert). Die Bewegung der Profitrate ist erst das Resultat
aller drei Effekte. Zwar wurden die beiden zuletzt erwähnten Punkte auch von
Marx gesehen, doch hielt er sie für untergeordnet, ohne dies jedoch ausreichend
belegen zu können. Wer einen Fall der Profitrate behauptet (oder darauf
gestützt eine Abnahme der produktiven Arbeit), also eine quantitative
Aussage macht, muß dafür auch eine quantitative Begründung vorlegen (in
unserem Fall: es müßte gezeigt werden, daß der erste, die Senkung der Profitrate
bewirkende Effekt quantitativ tatsächlich größer ist als die beiden anderen
Effekte zusammengenommen). Der an dieser Stelle oft gehörte Einwand, daß es
aber doch nicht um quantitative Größen, sondern um gesellschaftliche
Verhältnisse gehe, ist wenig überzeugend, wenn derjenige, der diesen Einwand
vorbringt, vorher selbst mit der quantitativen Veränderung bestimmter Größen
argumentiert hat.[4]
Es finden sich bei der Krisis-Gruppe aber noch
Überlegungen ganz anderer Art, die das "Abschmelzen der produktiven
Arbeit" begründen sollen. Dabei wird der Begriff der produktiven Arbeit in
einer etwas ungewöhnlichen Weise umdefiniert. Marx hatte in den "Theorien
über den Mehrwert" herausgestellt, daß die Begriffe
produktive/unproduktive Arbeit, wenn sie für eine sinnvolle Analyse taugen
sollen, vom Charakter der Produktionsweise und nicht von irgendwelchen
konkreten Eigenschaften des Arbeitsprozesses abhängig gemacht werden müssen.
Unter kapitalistischen Verhältnissen sei daher nicht schon jede Lohnarbeit
"produktiv", sondern nur diejenige, die auch Mehrwert produziert. Die
Arbeit eines Gärtners, der den Garten eines Kapitalisten pflegt, ist solange unproduktiv,
wie dieser Garten einzig dem Genuß dieses Kapitalisten dient. Erst wenn die
Gartenprodukte auf dem Markt mit Gewinn verkauft werden, wird die Arbeit des
Gärtners (ohne daß sich konkret etwas an ihr geändert hätte) "produktive
Arbeit". Als unproduktiv betrachtet Marx auch solche Arbeiten, die, obwohl
sie im Rahmen einer kapitalistischen Produktion stattfinden, lediglich den
Formwechsel von Ware und Geld zum Gegenstand haben, also nicht durch die
Produktion selbst, sondern durch ihre kapitalistische Form bedingt sind.
Unproduktive Arbeit trägt nicht zur Mehrwertproduktion bei, sondern muß aus dem
Mehrwert bezahlt werden und schmälert somit die Möglichkeiten der Akkumulation.
In dem schon erwähnten Aufsatz von Kurz (1995b)
werden die Marxschen Überlegungen zwar zunächst zutreffend referiert, es findet
sich dann aber die Tendenz, die unproduktiven Arbeiten doch wieder an gewissen
stofflichen Eigenschaften (nämlich als Dienstleistungen im Unterschied zur
"substantiellen" Warenproduktion) festzumachen.[5]
Wichtiger als solche Unschärfen ist jedoch, daß Kurz eine grundsätzliche
Erweiterung des begrifflichen Umfangs produktiver Arbeit vornimmt.
"Produktiv" sollen nur diejenigen Arbeiten sein, die nicht nur
einzelbetrieblich, sondern auch auf der Ebene der gesamten Gesellschaft für die
Reproduktion des Kapitals erforderlich sind. Seine Überlegungen laufen darauf
hinaus, daß beispielsweise die Arbeit der Arbeitskräfte in einer Brotfabrik
produktiv ist, sofern ihr Produkt (die Brote) von Arbeitskräften verzehrt wird,
die selbst ebenfalls wieder produktive Arbeit verrichten, nicht aber, wenn
diese Brote von nicht-produktiven Arbeitern (wie etwa dem Hausdiener eines
Unternehmers) verzehrt werden. Damit eine Arbeitskraft "produktiv"
verausgabt wird, ist dann nicht nur notwendig, daß sie ein Produkt produziert,
das verkauft wird und bei dessen Verkauf Gewinn erzielt wird, es kommt auch auf
die weitere Verwendung dieses Produkts an: Produktiv im Sinne von Kurz
ist eine Arbeit nur, wenn ihr Produkt von produktiven Arbeitern (als Konsumtions-
oder als Produktionsmittel) verzehrt wird.
Stören wir uns nicht an der offensichtlichen
Zirkularität dieser Definition (produktive Arbeit wird durch produktive Arbeit
definiert)[6],
sondern unterstellen ruhig einmal (und darauf will Kurz letzten Endes hinaus),
daß der Anteil unproduktiver Arbeit an der Gesamtarbeit tatsächlich zunimmt
oder andersherum, daß wir die "Abschmelzung " (Trenkle) produktiver
Arbeit beobachten können. Ob damit schon der Untergang des Kapitalismus
eingeläutet wird, müßte aber erst noch gezeigt werden. Zwar ist bei Kurz
mehrfach von einer "Schmerzgrenze" der Kapitalreproduktion die Rede,
die durch die Zunahme unproduktiver Arbeit sogar schon überschritten sei; auf
eine inhaltliche Bestimmung der Größe einer solchen "Schmerzgrenze",
wartet man jedoch vergeblich. Hat man aber nicht einmal eine vage Vorstellung
von der Bestimmung dieser Schmerzgrenze, woher weiß man dann, daß sie bereits
überschritten ist?
Hinter der Rede von einer "Schmerzgrenze"
steckt anscheinend die Vorstellung, daß der "produktive"
mehrwertschaffende Bereich den wachsenden unproduktiven alimentieren muß und
daß dann nicht genügend Mehrwert für die Akkumulation in der "substantiellen
Warenproduktion" übrig bleibt. Allerdings haben wir es hier mit einem
ähnlichen Problem wie beim Fall der Profitrate zu tun: die wachsende
Produktivkraft sorgt dafür, daß die von einer "produktiven"
Arbeitskraft produzierte Mehrwertmasse beständig steigt, daß also eine
"produktive" Arbeitskraft eine ständig wachsende Masse unproduktiver
Arbeit unterhalten kann. Wird behauptet, die unproduktive Arbeit werde zur
untragbaren Last, dann müßte mindestens gezeigt werden, daß sie schneller
wächst als die Produktivkraft (wobei noch zu berücksichtigen wäre, daß die
"Rationalisierung" vor den "unproduktiven" Sektoren
keineswegs haltmacht, also auch die "unproduktiven" Leistungen mit
immer geringerer Arbeitsverausgabung erbracht werden). Denn erst wenn dies der
Fall ist, kann sich die Zunahme der unproduktiven Arbeit einer (wie auch immer
bestimmten) "Schmerzgrenze" überhaupt nähern.
Zusammenbruch oder reinigendes Gewitter?
Wenn die gerade skizzierten Überlegungen zutreffen,
dann ist bis jetzt nicht wirklich plausibel gemacht worden, daß der
Kapitalismus gerade seine "Zusammenbruchskrise" erlebt. Andererseits
ist die Existenz von Krisen (und wohl auch schärfer werdenden Krisen) nicht zu
bestreiten. Welche Bedeutung haben nun diese Krisen, wenn sie nicht auf den
Zusammenbruch des Kapitalismus hinauslaufen?
Bereits zu Anfang meines Textes wurde die spezifisch
Gesellschaftlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft angedeutet: die Produktion
ist trotz allseitiger Abhängigkeit "privat" organisiert, erst im
Nachhinein, auf dem Markt zeigt sich inwieweit die Privatprodukte als Produkte
gesellschaftlicher Arbeit anerkannt werden. Indem das innerlich Zusammengehörige
durch die Form von Kauf und Verkauf auseinandergerissen wird, ist bereits die Möglichkeit
der Krise gegeben, wie Marx im ersten Abschnitt des ersten "Kapital"-Bandes
festhält. Um zu sehen, wie aus dieser bloßen Möglichkeit eine wirkliche Krise
wird, muß der Gesamtprozeß kapitalistischer Produktion und Reproduktion
untersucht werden, was Marx im dritten Band des "Kapital" unternimmt.
Hier finden sich dann vor allem im 15. Kapitel verschiedene Ansätze zur
Krisentheorie. Obwohl diese Ansätze unvollständig und auch systematisch
unzureichend sind (vor allem weil das Kreditsystem ausgeblendet bleibt), kann
Marx deutlich machen, daß Krisen keine "zufälligen" Ereignisse sind,
die durch eine geschickte staatliche Wirtschaftspolitik abgewendet werden
könnten. Gerade der "bewußtlose" Charakter der Vergesellschaftung
einerseits und der Imperativ maximaler Kapitalverwertung andrerseits bauen
immer wieder Ungleichgewichte, Widersprüche und Blockaden auf, die nur
gewaltsam - vermittels einer Krise - beseitigt werden können. Insofern haben
Krisen eben nicht nur eine zerstörerische Wirkung; für das Kapital als Ganzes
haben sie eine außerordentlich positive Funktion. Genauer: gerade aufgrund
ihrer zerstörerischen Wirkungen haben die Krisen diese positive Funktion. Indem
nicht mehr profitable Einzelkapitale entwertet, dysfunktional gewordene
gesellschaftliche Strukturen beseitigt, Arbeiter und Arbeiterinnen massenhaft
arbeitslos werden und ihr Reproduktionsniveau gesenkt wird, werden für die
verbleibenden Kapitale die Verwertungsbedingungen enorm verbessert und es kann
ein neuer Akkumulationsschub einsetzen, der schließlich zu neuen Widersprüchen
und Blockaden führen wird, die durch die nächste Krise beseitigt werden müssen.
Der Kapitalismus verhält sich hier ähnlich wie ein Krebsgeschwür: auch wenn 90%
eines Tumors vernichtet werden, hindert dies die restlichen 10% keineswegs am
weiteren Wachstum, dies erfolgt eventuell sogar noch schneller.
Was nun die gegenwärtigen Krisenprozesse angeht, so
scheinen sie mir alles andere als das Ende des Kapitalismus anzuzeigen. So ist
die sogenannte "Asienkrise" nicht der Anfang vom Ende des
Kapitalismus in Ostasien, sondern eher dessen Beginn: der in den Zeiten des
Kalten Krieges politisch (sowohl von den einzelnen Nationalstaaten als auch von
der Hegemonialmacht USA) stabilisierte Kapitalismus Ostasiens, hatte wie üblich
in solchen Situationen, riesige spekulative Blasen hervorgebracht. In den letzten
anderthalb Jahren sind nicht nur einige dieser Blasen geplatzt, der
Kapitalismus der (vorgeblichen) "Tigerstaaten" muß auch damit
zurechtkommen, daß er eben nicht mehr das Hätschelkind der USA ist. Insofern
bewirkt die Asienkrise, daß der Kapitalismus in Ostasien auf ein
"realistisches" Entwicklungsniveau zurückgestutzt wird, was für die
Masse der Bevölkerung mit einer enormen Verschlechterung ihrer
Lebensbedingungen verbunden ist. Auf dieser reduzierten Basis wird sich der
ostasiatische Kapitalismus dann aber aus eigener Kraft weiterentwickeln können
und wahrscheinlich schon bald ein viel schärferer Konkurrent für das
US-amerikanische und westeuropäische Kapital werden, als er dies jemals zuvor
war. Und auch Afrika (das Trenkle wahrscheinlich im Sinn hatte, als er davon
sprach, daß sich das Kapital aus ganzen Weltregionen zurückziehen würde)
scheint eher am Anfang als am Ende einer kapitalistischen Entwicklung zu stehen.
Mit der Abschaffung der Apartheid in Südafrika ist die politische Blockade für
die weitere Expansion der mit Abstand stärksten wirtschaftlichen Macht Afrikas
gefallen. Inzwischen dominiert Südafrika nicht nur die südafrikanische
Wirtschaftsgemeinschaft, südafrikanische Konzerne sind auch schon neben
US-amerikanischen in Zentralafrika in Stellung gegangen, um die Ausbeutung
dieser rohstoffreichen Region nicht mehr nur französischen Unternehmen zu
überlassen, so daß die Zeichen eher auf eine Verstärkung als auf eine
Abschwächung kapitalistischer Entwicklung hindeuten, wenngleich diese auf niedrigem
Niveau stattfinden und sich eher in Jahrzehnten als in Jahren bemessen wird.
Der Zusammenbruch des Realsozialismus ist wohl nicht
das Anfang vom Ende der Warenproduktion, sondern eher der Anfang eines
historisch zum ersten Mal auftretenden: "globalen"
Konkurrenzkapitalismus. Wenn die "Konkurrenz auf dem Weltmarkt"
wirklich die "Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen
Produktionsweise bildet", wie Marx im dritten Band des "Kapital"
formulierte (MEW 25, S.120), dann ist dieser "Weltmarkt" heute zum
ersten Mal soweit entwickelt, daß er tatsächlich die gesamte Welt umfaßt.
Insofern wird die reale Existenz der kapitalistischen Produktionsweise jetzt
zum ersten Mal "ihrem Begriff adäquat". Dieser nun endlich
realisierte Kapitalismus scheint mir zwar sehr weit entfernt von allem
"Niedergang" oder "Untergang" zu sein, er wird aller
Voraussicht nach aber auch nicht viel mit den (aus heutiger Perspektive)
nachgerade komfortablen Zuständen des "Wirtschaftswunders" der
Nachkriegszeit gemein haben. Zumindest in Westeuropa und den USA herrschte über
etwa 20 Jahre hinweg (von Mitte der 50er bis Anfang der 70er Jahre) nahezu
Vollbeschäftigung, die Reallöhne stiegen, sozialstaatliche Leistungen wurden
ausgebaut und die kapitalistische Entwicklung verlief zwar zyklisch aber ohne
größere Kriseneinbrüche. Solche fast schon idyllischen Zustände (die aber auch
damals nur in den kapitalistischen Metropolen und nicht in den Ländern der sog.
3.Welt existierten) sind, zumindest für absehbare Zeit, nicht mehr zu erwarten.
Das Ende eines bestimmten kapitalistischen Entwicklungsmodells (das üblicherweise
mit den Begriffen "Fordismus" und "keynesianischer
Wohlfahrtsstaat" etikettiert wird), dessen Existenz auf einer Reihe von
ökonomischen und politischen Sonderfaktoren beruhte, ist nicht zu verwechseln
mit dem Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise als solcher. Mir
scheint, daß viele Erscheinung, die Trenkle wahrscheinlich der
"barbarischen Niedergangsepoche" des Kapitalismus zuschreibt, viel
eher zu dessen ganz normaler Funktionsweise gehören, von der wir nur eine
Zeitlang mehr oder weniger verschont geblieben sind. Und diese
"barbarische" Normalität des Kapitalismus ist nach wie vor ein guter
Grund, sich Gedanken über dessen Abschaffung zu machen.
Literatur
Hans-Georg Backhaus (1997): Dialektik der Wertform,
Freiburg.
Michael Heinrich (1991): Die Wissenschaft vom Wert,
Hamburg (2. erw. Aufl., Münster 1999).
Robert Kurz: (1995a): Postmarxismus und
Arbeitsfetisch, in: Krisis 15.
Robert Kurz (1995b): Die Himmelfahrt des Geldes, in: Krisis
16/17.
Norbert Trenkle (1998): Was ist der Wert? Was soll
die Krise? in: Streifzüge 3/98.
[1] In der "Einleitung" von 1857 hob Marx
allerdings selbst hervor, daß Arbeit als scheinbar einfache Kategorie sich bereits
einer Abstraktion verdankt. - Nicht unproblematisch ist es, wenn etwa bei Robert
Kurz (1995a) dieser "Arbeitsfetisch" zum Angelpunkt sowohl der Kritik
an Marx (insofern sich hier seine "Janusköpfigkeit" - Kritiker und
zugleich Vertreter der "Modernisierung" zu sein - zeige) als auch der
Kritik an der "Modernisierung" gemacht wird: zum einen wird dabei das
Konzept der "Modernisierung" weitgehend unkritisch aus der
bürgerlichen Soziologie übernommen (die ihm zugrunde liegende Dichotomie
traditional/modern wäre gerade zu hinterfragen), zum anderen besteht die
Gefahr, daß die strukturellen Sachverhalte, die Marx mit den Begriffen des
Waren-, Geld- und Kapitalfetischs faßt, hinter diesem
"Arbeitsfetisch" verschwinden.
[2] Daß Marx' eigene Darstellung zu Beginn des
"Kapital" diesem Schein Vorschub leistet, wird von ihm bei der
Überarbeitung der ersten Auflage anerkannt. In seinem Überarbeitungsmanuskript
heißt es, nachdem er seine Darstellung kurz referiert hat: "So wurden der
Rock und Leinwand als Werthe, jedes für sich auf Vergegenständlichung
menschlicher Arbeit schlechthin reducirt. Aber in dieser Reduktion wurde
vergessen, daß keines für sich solche Wertgegenständlichkeit ist,
sondern daß sie solches nur sind, soweit das ihnen gemeinsame Gegenständlichkeit
ist. Ausserhalb ihrer Beziehung auf einander - der Beziehung worin sie
gleichgelten - besitzen weder der Rock noch die Leinwand Werthgegenständlichkeit
oder ihre Gegenständlichkeit als blosse Gallerten menschlicher Arbeit
schlechthin. Diese gesellschaftliche Gegenständlichkeit besitzen sie auch nur
als gesellschaftliche Beziehung." (MEGA II.6, S.30, Hervorhebungen von
mir).
[3] Vor allem Hans-Georg Backhaus (dessen gesammelte
Aufsätze 1997 erschienen sind) kommt das Verdienst zu, daß er immer wieder auf
die zentrale Bedeutung hingewiesen hat, welche die Wertformanalyse für die
Marxsche Ökonomiekritik besitzt.
[4] Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem
Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, bei der auch gezeigt wird, daß
sich aus dem 13. Kapitel des ersten Bandes des "Kapital" ein
wichtiges Argument gegen dieses Gesetz entnehmen läßt, wird in der im
Frühjahr 1999 erscheinenden, erweiterten Neuauflage der "Wissenschaft vom
Wert" enthalten sein.
[5] So werden z.B. sämtliche bei einem Unternehmen anfallenden
"Gemeinkosten" den unproduktiven Arbeiten zugerechnet (Kurz 1995b,
S.32f). Dies ist zwar für die Lohnabrechnung richtig, nicht aber für das
ebenfalls erwähnte Putzpersonal: während erstere lediglich dem Formwandel
Ware-Geld geschuldet ist, bildet die Tätigkeit der Putzkolonnen eine der
Voraussetzungen dafür, daß die Arbeitskräfte geordnet produzieren können.
[6] Über diese Zirkularität scheint sich auch Kurz im
Klaren zu sein, denn er merkt an, daß sein Begriff produktiver Arbeit "dem
positivistisch verseuchten definitorischen Denken ungewöhnlich erscheinen"
mag (Kurz 1995b, S.35) - womit zukünftige Kritiker schon mal in die Schranken gewiesen
sind, denn wer mag schon "positivistisch verseucht" sein. Würde man
nicht nur, wie in Kurz' Artikel, von "kreislauftheoretischer
Betrachtung" sprechen, sondern auch eine anstellen, etwa auf der Grundlage
der von Marx' im zweiten Band des "Kapital" betrachteten Reproduktionsschemata,
dann ließe sich diese Zirkularität ohne weiteres beseitigen. Allerdings wäre
mit einer konsistenten Definition noch nicht ausgemacht, daß sie für eine
Analyse auch sinnvoll ist.