Michael Heinrich

Was ist die Werttheorie noch wert ?

Zur neueren Debatte um das Transformationsproblem und die Marxsche Werttheorie.

(in: PROKLA 72, 18. Jg., Nr. 3, September 1988, S.15-38)

 

Zusammenfassung: Die Diskussion des Transformationsproblems und des neoricardianischen Ansatzes von Piero Sraffa, veranlaßten viele marxistisch orientierte Ökonomen dazu, von der Marxschen Werttheorie Abstand zu nehmen. Im vorliegenden Aufsatz werden die quantitativen Modelle der Neoricardianer einer grundsätzlichen Kritik unterzogen; es wird dagegen für eine qualitative Fassung des Wert-Preis Zusammenhangs plädiert. Die Marxsche Werttheorie wird dabei als "monetäre Werttheorie" aufgefaßt, die allerdings nicht als fertig unterstellt werden kann, sondern ihre Feuerprobe in der Entwicklung einer adäquaten Geld- und Kredittheorie erst noch zu bestehen hat.

 

 

Einleitung

Marx betrachtete die Werttheorie als unverzichtbare Grundlage seiner Kritik der politischen Ökonomie. In der Folge galt sie unter Marxisten aber nicht nur als Voraussetzung für die Mehrwerttheorie und damit für das Verständnis des zentralen Funktionsmechanismus der kapitalistischen Ökonomie; sie wurde zugleich als Grundlage einer Analyse der spezifischen Art und Weise bürgerlicher Vergesellschaftung wie auch der ideologischen Formen, in denen diese Vergesellschaftung reflektiert wird, begriffen. Die Marxsche Werttheorie galt daher nicht nur als ökonomische Theorie im engeren Sinne, sondern als Fundament einer die traditionellen Fächergrenzen sprengenden ökonomischen, soziologischen und ideologiekritischen Analyse der bürgerlichen Gesellschaft.

Dem zentralen Stellenwert der Werttheorie entsprechend konzentrierten sich die Angriffe bürgerlicher Ökonomen daher auch auf sie. Besonders hervorzuheben ist dabei die Arbeit von Böhm-Bawerk (1896), der nicht nur einen "Widerspruch" zwischen der Werttheorie des ersten und der Theorie der Produktionspreise im dritten Band konstatierte, sondern sich auch bemühte, nachzuweisen, daß der Marxsche Schluß auf (abstrakte) Arbeit als gemeinsame Wertsubstanz der Waren lediglich "dialektischer Hokuspokus" sei. Schließlich hatte die bürgerliche Ökonomie aber auch solche sich noch detailliert auf den Marxschen Text einlassende Kritik nicht mehr nötig. Mit dem gegen Ende des letzten Jahrhunderts einsetzenden Paradigmenwechsel erhielt die politische Ökonomie nicht nur ihre mathematischen Weihen; mit dem Marginalismus verabschiedete sie sich von jeder Form der Arbeitswerttheorie, die von nun an bestenfalls als vorwissenschaftlich galt. Erst mit Marshall und Walras schien die politische Ökonomie zur wirklichen Wissenschaft geworden zu sein. Marx wie auch der bürgerlichen Klassik wurden allenfalls mit gönnerhafter Attitüde die mehr oder weniger klare Andeutung mancher moderner Resultate zugebilligt. Da die Kritik an der Werttheorie von nun an in bloß pauschaler Ablehnung bestand, ließ es sich für Marxisten leicht mit solcher Kritik leben, sahen sie doch auf der anderen Seite in der bürgerlichen Mainstream-Ökonomie nur die Fortsetzung der schon von Marx kritisierten Vulgärökonomie.

In den letzten 15 oder 20 Jahren hat sich die Situation allerdings grundlegend geändert. Seither ist die Marxsche Werttheorie auch unter eher marxistisch orientierten Ökonomen umstritten. Verantwortlich dafür ist die (wieder aufgeflammte) Debatte um das sogenannte "Transformationsproblem". Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein Spezialproblem für mathematisch Interessierte, wie man aufgrund mancher Diskussionsbeiträge vielleicht meinen könnte. Das Transformationsproblem veranlaßte nicht nur Versuche, die Arbeitswerttheorie aus der marxistischen Ökonomie herauszuschneiden. Es dient Kritikern auch als Beleg dafür, daß die Kritik der politischen Ökonomie mit ihrem eigenen Theorieprogramm gescheitert ist. Bei der Auseinandersetzung um dieses Problem geht es daher um Status und Geltung der Werttheorie als solcher und damit um Charakter des gesamten Projektes "Kritik der politischen Ökonomie". Beruft man sich also heute auf dieses Projekt, so kann man das Transformationsproblem nicht einfach ignorieren (oder es in der Reihe der noch zu lösenden Probleme ablegen, was auf dasselbe hinauskommt).

Im vorliegenden Aufsatz wird nicht der Versuch unternommen, zu den vielen ausgeklügelten quantitativen Lösungen noch eine weitere hinzuzufügen. Vielmehr geht es gerade um eine Kritik solcher Modelle. Faßt man den Zusammenhang von Werten und Produktionspreisen aber qualitativ auf, so kann man auch an anderen Stellen nicht ohne weiteres auf quantitative Wertbestimmungen rekurrieren.

 

1. Die Marxsche Transformation von Werten in Produktionspreise

In den beiden ersten Bänden des "Kapital" unterstellt Marx, daß Waren zu ihren Werten getauscht werden, wobei die Wertgröße einer Ware durch die zu ihrer Produktion erforderliche "gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" (MEW 23, S.52) bestimmt ist. Diese Voraussetzung behält er zunächst auch noch im dritten Band bei, wenn er den Profit im Unterschied zum Mehrwert darstellt. Bei der folgenden Untersuchung der "Verwandlung des Profits in Durchschnittsprofit" geht er zunächst von einer für alle Kapitale gleichen Mehrwertrate aber einer für die einzelnen Branchen unterschiedlichen organischen Zusammensetzung aus. Die Verwandlung von Mehrwert in Profit liefert dann für die einzelnen Branchen unterschiedliche Profitraten, was der Anschauung, die einen tendenziellen Ausgleich der Profitraten, d.h. die Existenz einer "allgemeinen Profitrate" zeigt, widerspricht ([1]). Da die Ungleichheit der Profitraten unter der Voraussetzung, daß die Waren zu ihren Werten getauscht werden, entwickelt wurde, folgert Marx:

"Es scheint also, daß die Wertheorie hier unvereinbar ist mit der wirklichen Bewegung, unvereinbar mit den tatsächlichen Erscheinungen der Produktion und daß daher überhaupt darauf verzichtet werden muß, die letztren zu begreifen." (MEW 25, S.162)

Marx unternimmt nun den Versuch, die empirische Gleichheit der Profitraten auf der Grundlage der Werttheorie zu erklären ([2]). Da der Tausch zu Werten mit der Existenz einer allgemeinen Profitrate unvereinbar ist, müssen die Waren zu Durchschnittspreisen, die von den Werten abweichen ([3]), getauscht werden. Der Durchschnittspreis muß sich aus dem "Kostpreis" (d.h. dem was die Ware den Kapitalisten kostet) und einem Profitanteil, der dem eingesetzten Kapital proportional ist, zusammensetzen. Diesen vom Wert abweichenden Durchschnittspreis nennt Marx Produktionspreis. Während sich die Mehrwertmasse, die ein Kapital produziert, als Produkt aus Mehrwertrate und der Größe des variablen Kapitals ergibt, ist die Profitmasse gleich dem Produkt aus allgemeiner Profitrate und Kapitalgröße ([4]). Marx steht nun vor dem Problem, die Höhe der allgemeinen Profitrate sowie die Produktionspreise ausgehend von den Wertverhältnissen zu bestimmen. Dies unternimmt er im 9.Kapitel des dritten Bandes indem er die allgemeine Profitrate des Preissystems als (gewichteten) Durchschnitt der differierenden Branchenprofitraten des Wertsystems, oder was dasselbe ist als Verhältnis des gesamten Mehrwerts zum gesamten Kapital der Gesellschaft auffaßt. Die Produktionspreise bestimmt er dann als Summe aus den jeweiligen Kostpreisen und dem Produkt aus Durchschnittsprofitrate und Kapitalgröße, wobei allerdings Kostpreis und Kapitalgröße zu Werten berechnet werden. Die Verwandlung von Werten in Produktionspreise läuft also auf eine Umverteilung des Mehrwerts innerhalb der Kapitalistenklasse hinaus: die einzelnen Kapitalisten eignen sich nicht mehr den Mehrwert an, der im unmittelbaren Produktionsprozeß von den von ihnen beschäftigten Arbeitern produziert wurde, sondern aus der Masse des von der gesamten Arbeiterklasse produzierten Mehrwerts erhalten sie einen Anteil, der dem Anteil ihres Kapitals am gesellschaftlichen Gesamtkapital entspricht.

Indem Marx von Wertgrößen ausgeht, über Wertprofitraten der einzelnen Branchen zur Preisprofitrate und von da zu Produktionspreisen kommt, glaubt er, daß er das Problem, Produktionspreis und allgemeine Profitrate auf der Grundlage der Werttheorie zu entwickeln, gelöst hat ([5]). Seine Lösung beruht wesentlich auf der Voraussetzung, daß die durchschnittliche Profitrate des Wertsystems und die allgemeine Profitrate des Preissystems quantitativ gleich sind. Diese Durchschnittsprofitrate ist dann die entscheidende Brücke zwischen dem Wert- und dem Preissystem, die den Übergang zwischen beiden erlaubt.

Zwar weichen bei der einzelnen Ware Wert und Produktionspreis und bei den einzelnen Kapitalien Mehrwert- und Profitmasse voneinander ab; da sich die Produktionspreise bei der von Marx angegebenen Transformation aber durch die bloße Umverteilung des Mehrwerts zwischen den einzelnen Kapitalien ergaben, ist nicht nur die Summe der Mehrwerte gleich der Summe der Profite, sondern auch die Summe der Werte gleich der Summe der Produktionspreise (MEW 25, S.169, 182). Aufgrund dieser beiden Identitäten glaubte Marx, daß er bei gesamtgesellschaftlicher Aggregation, etwa bei der Untersuchung der Bewegung der Durchschnittsprofitrate, nach wie vor von Wertgrößen ausgehen könnte.

 

Die Marxsche Transformation von Werten in Produktionspreise besitzt allerdings einen quantitativen Defekt. Da die Kostpreise (und die Kapitalgrößen) in Werten berechnet werden, ist eigentlich unterstellt, daß sowohl die Kapitalisten ihre Produktionsmittel als auch die Arbeiter ihre Lebensmittel nicht zu Produktionspreisen, sondern zu Werten kaufen. Dieser Fehler wurde auch von Marx erkannt, in seiner Auswirkung allerdings gewaltig unterschätzt:

"Da der Produktionspreis abweichen kann vom Wert der Ware, so kann auch der Kostpreis einer Ware, worin dieser Produktionspreis andrer Ware eingeschlossen, über oder unter dem Teil ihres Gesamtwerts stehn, der durch den Wert der in sie eingehenden Produktionsmittel gebildet wird. Es ist nötig sich an diese modifizierte Bedeutung des Kostpreises zu erinnern und sich daher zu erinnern, daß ... stets ein Irrtum möglich ist. Für unsre gegenwärtige Untersuchung ist nicht nötig näher auf diesen Punkt einzugehn." (MEW 25, S.174)

Wird aber die Voraussetzung, daß Kostpreise und Kapitalgrößen zu Werten berechnet werden können, fallen gelassen, so ist der Marxsche Transformationsalgorithmus nicht mehr durchführbar: die Produktionspreise können nicht mehr dadurch bestimmt werden, daß der Durchschnittsprofit einfach auf die zu Werten berechneten Kostpreise aufgeschlagen wird, denn jeder Kostpreis besteht aus einer Summe von Produktionspreisen, die zuvor berechnet sein müßten. Durchschnittsprofitrate und Produktionspreise lassen sich anscheinend nicht nacheinander sondern nur gleichzeitig bestimmen. Dann kann aber nicht mehr wie selbstverständlich davon ausgegangen werden, daß die Durchschnittsprofitrate des Wertsystems mit der des Preissystems übereinstimmt.

 

2. Die "Korrektur" durch v.Bortkiewicz

Marx versuchte aus einem beliebigen Wertschema und einer Verteilungsregel (der Mehrwertrate) die allgemeine Profitrate und die Produktionspreise zu bestimmen. Sein Verfahren führte zu falschen Ergebnissen, da er die Kostpreise nicht mittransformierte. Dies war ihm aber gar nicht möglich, da sein Wertschema keine Angaben über die Reproduktionsstruktur enthielt.

Ladislaus von Bortkiewicz war der erste ([6]), der die Relevanz der fehlerhaften Marxschen Transformationsmethode erkannte und einen "korrekten" Algorithmus angeben konnte (Bortkiewicz, 1907). Dazu zerlegte er die gesamte Produktion in drei Sektoren, die Produktionsmittel, Lohngüter und Luxusgüter produzieren sollten. Bei einfacher Reproduktion mußte dann für die Wertstruktur gelten (wenn c das konstante Kapital, v das variable Kapital und m den Mehrwert des jeweiligen Sektors bezeichnet):

 

 c1 + v1 + m1 = c1 + c2 + c3

 c2 + v2 + m2 = v1 + v2 + v3

 c3 + v3 + m3 = m1 + m2 + m3

 

Aus diesem Wertsystem sind nun die Produktionspreise für die drei Güter sowie die allgemeine Profitrate zu bestimmen. Sind x,y und z die (gesuchten) Faktoren, mit denen man die Werte von Produktionsmitteln, Lohngütern und Luxusgütern multiplizieren muß, um ihre Produktionspreise zu erhalten und ist r die gesuchte Profitrate, so muß folgendes Gleichungssystem gelten:

( c1x + v1y ) ( 1 + r ) = ( c1 + c2 + c3 ) x

( c2x + v2y ) ( 1 + r ) = ( v1 + v2 + v3 ) y

( c3x + v3y ) ( 1 + r ) = ( m1 + m2 + m3 ) z

 

Da es sich um vier Unbekannte (x,y,z und r) handelt, aber nur 3 Bestimmungsgleichungen vorhanden sind, muß für eine eindeutige Lösung eine zusätzliche Gleichung angegeben werden. Setzt man beispielsweise z=1, so fallen für die Luxusgüter Wert und Produktionspreis zusammen und da bei einfacher Reproduktion die Summe der Mehrwerte (bzw. Profite) gleich dem Wert (bzw. Preis) des Outputs der Luxusgüterindustrie ist, sind in diesem Fall auch Mehrwertmasse und Profitmasse gleich. Bis auf Spezialfälle, wie z.B. einer in allen Abteilungen gleichen organischen Kapitalzusammensetzung, wird dann aber die Summe der Produktionspreise von der Summe der Werte abweichen. Wählt man anstelle von z=1 als Zusatzgleichung

 

 õk (ck + vk + mk) = õk (ckx + vky + mkz)

 

so ist zwar die Summe der Werte gleich der Summe der Produktionspreise, in der Regel wird nun aber nicht mehr z=1 gelten, so daß die Summe der Mehrwerte von der Summe der Profite abweicht. Da die beiden von Marx angenommenen Identitäten außer in Spezialfällen nicht gegeben sind, unterscheidet sich im allgemeinen auch die Durchschnittsprofitrate des Preissystems von der "Wertprofitrate", d.h. der durchschnittlichen Profitrate des Wertsystems, dem Verhältnis von Gesamtmehrwert zu Gesamtprofit. Akzeptiert man die Transformationsmethode von Bortkiewicz, so sind damit alle Folgerungen, die Marx aufgrund dieser beiden Identitäten über das Preissystem zog, in Frage gestellt. So ging er beispielsweise bei seiner Begründung für das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate vom Verhältnis Gesamtmehrwert zu Gesamtkapital, also der Wertprofitrate, aus. Da Wertprofitrate und Preisprofitrate voneinander abweichen, folgt aus dem Fallen der Wertprofitrate keineswegs daß auch die Preisprofitrate fällt ([7]). Wenn somit auch gewisse weitergehende Folgerungen von Marx in Frage gestellt werden, scheint aber durch das von Bortkiewicz eingeführte Verfahren zumindest gezeigt zu sein, daß sich aus dem Wertsystem das Preissystem korrekt herleiten läßt. Jahrzehnte hindurch wurde die von Bortkiewicz korrigierte Transformation in dieser Weise interpretiert ([8]) und formal weiterentwickelt (Winternitz 1948, Seton 1957) so daß sie schließlich nicht nur auf drei sondern auf beliebig viele Produktionssphären anwendbar wurde.

 

3. Sraffa und die Folgen

Im Jahre 1960 erschien Piero Sraffas kurze, aber sehr einflussreiche Studie "Warenproduktion mittels Waren". Der Untertitel "Einleitung zu einer Kritik der ökonomischen Theorie", deutet den eigentlichen Zweck dieser Schrift, die theoretische Basis für eine Kritik der marginalistischen Theorie bereitzustellen, lediglich an ([9]). Insofern Sraffa nicht Grenzprodukte zu seinem Ausgangspunkt machte, sondern Eigenschaften des ökonomischen Systems, die von Veränderungen des Produktionsumfanges und der Faktorproportionen unabhängig sind, stellte er sich, wie er selbst formulierte, auf den Standpunkt der Klassik. Da sich viele seiner Argumente als Formalisierung ricardianischer Konzepte auffassen lassen, hat sich für den von Sraffa entwickelten Ansatz die Bezeichnung "neoricardianisch" eingebürgert.

Sraffa betrachtet ein ökonomisches System, das aus n verschiedenen Produktionszweigen besteht, in denen jeweils ein Produkt hergestellt wird. Zur Produktion eines Gutes sind bestimmte Mengen von Produktionsmittel und Arbeitszeit erforderlich. Diese Mengen lassen sich durch einen Vektor (ai1, ai2, ..., ain, Li) beschreiben: zur Produktion einer Einheit des Produktes i ist die Menge ai1 des Produkts 1, die Menge ai2 des Produkts 2 etc. und die direkt aufgewendete Arbeitszeit Li erforderlich, wobei einige der Koeffizienten a auch den Wert Null annehmen können. Wird die Arbeitskraft mit einem Lohnsatz w pro Arbeitsstunde bezahlt und sollen die Produkte zu Preisen pi (pi ist der Preis einer Mengeneinheit des Produktes i) verkauft werden, die es ermöglichen, daß die einzelnen Kapitale eine gleiche Profitrate r auf ihren Kapitalvorschuß ([10]) erzielen, so muß folgendes Gleichungssystem erfüllt sein:

 

 ( a11p1 + a12p2 + ... + a1npn + L1w ) (1 + r) = p1

 ( a21p1 + a22p2 + ... + a2npn + L2w ) (1 + r) = p2

 ... (A)

 ...

 ( an1p1 + an2p2 + ... + annpn + Lnw ) (1 + r) = pn

 

 

Gibt man nun den Lohnsatz durch ein Konsumgüterbündel vor, also

 

 w = b1p1 + b2p2 + ... + bnpn

 

(wobei verschiedene b auch Null sein können), so besteht das System (A) aus n Gleichungen mit n+1 Variablen (den n Preisen und der Profitrate r). Durchschnittsprofitrate und Preise der einzelnen Produkte (und damit auch der Preis des vorgeschossenen Kapitals) werden also simultan durch das System (A) und die Gleichung für den Lohnsatz bestimmt ([11]).

Während die marginalistischen Theorien davon ausgehen, daß die verschiedenen Produktionsfaktoren (Kapital, Arbeit und Boden) im Gleichgewicht entsprechend ihren Beiträgen zur Produktion entlohnt werden, zeigt Sraffas Darstellung, daß dieser Beitrag nicht ohne weiteres zu messen ist. Das gemeinsame Maß für die physisch heterogenen Kapitalgüter ist ihr Preis. Preise können aber, soll eine für alle Kapitale gleiche Profitrate erzielt werden, nicht unabhängig und vor dieser Profitrate berechnet werden. Die Profitrate hängt aber vom Lohngüterbündel, und das heißt vom (noch nicht in Preisen ausgedrückten) Verteilungsverhältnis des Nettoprodukts zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse ab. Das Preissystem, in dem sich die "Beiträge der Produktionsfaktoren", die in den marginalistischen Theorien eine bestimmte Verteilung erst erklären (und damit auch innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems rechtfertigen) sollten, messen lassen, ergibt sich also erst aufgrund dieser Verteilung, die somit bereits vorausgesetzt ist ([12]).

 

Es dauerte nicht lange bis die linearen Modelle der Neoricardianer zur Formalisierung der Marxschen Theorie benutzt wurden. Die oben eingeführten Vektoren kann man auch zur Berechnung von Arbeitswerten verwenden, wenn man annimmt, daß die aufgewendeten Arbeitsmengen Li in gleichem Maße wertbildend sind, daß es sich also um homogene Arbeit handelt. Ist ui der Wert einer Mengeneinheit des Produktes i, gemessen in Arbeitsstunden, so muß folgendes Gleichungssystem erfüllt sein:

 

 a11u1 + a12u2 + ... + a1nun + L1 = u1

 a21u1 + a22u2 + ... + a2nun + L2 = u2

 ... (B)

 ...

 an1u1 + an2u2 + ... + annun + Ln = un

 

Es schien, als sei es nun endlich möglich, die Marxsche Wert- und Preistheorie auf der "Höhe der Zeit" (was heutzutage meistens heißt mit den vorhandenen mathematischen Methoden) zu reformulieren. Bereits 1963 verfaßte Okishio einen "mathematischen Kommentar zu Marxschen Theoremen" (Okishio, 1963), und Morishima stellte schließlich die gesamte Marxsche Ökonomie aus dieser Perspektive dar (Morishima, 1973). Anscheinend war erst jetzt eine qualifizierte Diskussion der Marxschen Aussagen möglich geworden. Einige Sätze wurden mathematisch bewiesen, wie etwa das sogenannte "Fundamentaltheorem", das besagt, daß die Durchschnittsprofitrate genau dann positiv ist wenn die Mehrwertrate positiv ist (Morishima/Seton, 1961), was als Bestätigung der Marxschen Auffassung vom Profit als Erscheinungsform des Mehrwerts aufgefaßt wurde. Andere Sätze wie beispielsweise das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate wurden widerlegt (Okishio, 1961). Und bei der Diskussion der Wert-Preis Transformation wurde zwar das Ergebnis von Bortkiewiecz bestätigt, daß bei einfacher Reproduktion die beiden Marxschen Identitäten (Mehrwertsumme gleich Profitsumme und Wertsumme gleich Preissumme) im allgemeinen nicht gleichzeitig gelten. Dagegen sind sie bei gleichgewichtiger erweiterter Reproduktion, sofern der gesamte Mehrwert bei gleichbleibenden technischen Bedingungen akkummuliert wird, erfüllt (Morishima 1973, Kap.7), was allerdings nur einen Spezialfall darstellt.

 

Die linearen Modelle der Neoricardianer wurden aber auch bald zu einer Kritik an der Marxschen Werttheorie benutzt. So wurde von Samuelson das Transformationsproblem aufgegriffen und darauf hingewiesen, daß die Kenntnis von Werten und Mehrwertraten zur Bestimmung von Produktionspreisen und Durchschnittsprofitrate überflüssig sei (Samuelson, 1971). Eine neue Stufe erreichte die Debatte als nicht nur Kritiker, sondern auch ursprünglich marxistisch orientierte Ökonomen begannen, die Marxsche Arbeitswerttheorie abzulehnen. Besonders prägnant wurde diese Position von Steedman (1977) in seinem Buch "Marx after Sraffa" präsentiert. Steedman argumentierte, das grundlegende System sei das der physischen Mengen von Produktionsmitteln und Arbeitszeiten, die zur Produktion der einzelnen Güter benötigt werden. Von diesem System aus könne man zu Werten gelangen (wie oben im System (B) ) oder unter Berücksichtigung eines Lohnsatzes zu Produktionspreisen und zur Durchschnittsprofitrate (wie oben im System (A)). Versucht man dagegen wie Marx vom Wertsystem ausgehend zur Durchschittsprofitrate und zum Produktionspreissystem zu gelangen, so führt jede korrekte Rechnung zunächst zum System der physischen Mengen zurück und erst von da aus zum Preissystem. Da man aber von diesem Mengensystem ausgehen mußte, um überhaupt Werte berechnen zu können, erweist sich die Betrachtung von Werten als unnötiger Umweg, wenn man Produktionspreise berechnen will ([13]). Steedman zog daraus den Schluß, daß das Wertsystem "redundant", d.h. schlichtweg überflüssig ist. Seine Kritik ging aber noch weiter. Läßt man nämlich die eingangs gemachte Voraussetzung, daß in jedem Produktionszweig nur eine Produktenart hergestellt wird, fallen und geht zur Betrachtung von Kuppelproduktion ([14]) über, so ergeben sich in bestimmten Konstellationen negative Wertgrößen, die ökonomisch sinnlos sind ([15]). In diesen Fällen sei die Werttheorie nicht nur redundant sondern auch inkonsistent. Steedman kam daher zu dem Ergebnis, daß die Arbeitswerttheorie für eine materialistische Gesellschaftsanalyse nicht zu gebrauchen sei ([16]). Allerdings lehnte er die Marxsche Ökonomie nicht vollständig ab. Bei Marx sei vielmehr zwischen der Arbeitswerttheorie und einer Theorie des Mehrproduktes zu unterscheiden. Dieser "surplus approach" sei von der Arbeitswerttheorie unabhängig, und als Alternative zur Neoklassik weiterzuentwickeln (Steedman 1981). Im Rahmen eines solchen Programms wurde dann insbesondere versucht, eine Theorie der Ausbeutung zu formulieren, die nicht auf Arbeitswerte rekurriert (Hodgson 1980, Cohen 1981, Roemer 1981, Kap.2). Auch die Attraktivität eines "rational choice marxism", der auf eine Reformulierung nicht nur der Kritik der politischen Ökonomie sondern des gesamten historischen Materialismus abzielt (Elster 1985), ist nur vor dem Hintergrund der neoricardianischen Kritik an der Marxschen Ökonomie zu verstehen.

 

Die Arbeitswerttheorie wurde aber nicht nur als direkte Folge der Schwierigkeiten bei der Wert-Preis Transformation abgelehnt. Motiviert durch diese Debatte wurde auch die Marxsche Argumentation zu Beginn des ersten Bandes einer Kritik unterzogen. Bereits Böhm-Bawerk hatte die Auffassung vertreten, es sei Marx in seinem ersten Kapitel nicht gelungen die Arbeitswerttheorie zu "beweisen". Ein Teil seiner Argumente wurde in den 70er und 80er Jahren auch von linken Autoren aufgegriffen. So wurde geltend gemacht, daß der Tausch nicht zwangsläufig als Gleichung aufgefaßt werden müsse. Ist dies aber nicht der Fall, ist auch nicht nach einer diese Gleichheit ausmachenden "Substanz" zu suchen. Marx habe daher durch die Struktur seiner Frage die Antwort bereits festgelegt (Cutler et al. 1977). Von Carling (1984) wurde das Marxsche "Ausschließungsverfahren" (mehrere mögliche Kandidaten, die eventuell als Wertsubstanz in Frage kommen werden ausgeschlossen, bis schließlich nur noch Arbeit als das den Waren Gemeinsame übrig bleibt) erneut als unbegründet zurückgewiesen. Castoriadis (1978) kritisierte den Versuch, Tauschwert auf Arbeit als eine "Substanz" zurückzuführen, als grundsätzlich nicht gangbar ([17]), und versuchte zu zeigen, daß die Konzepte "gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit", "einfache Arbeit" und "abstrakte Arbeit" inkonsistent seien. Von Lippi (1979) wurde die Arbeitswerttheorie sogar als "Naturalismus" gebrandmarkt, als Versuch mit überhistorischen Gesetzen (nämlich der Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit auf einzelne Sphären der Produktion) spezifisch kapitalistische Verhältnisse zu erklären. Durch solche Kritiken erhielten die neoricardianischen Rekonstruktionsversuche auch wieder neue Unterstützung, da sie sich nur auf die anscheinend unproblematischen Reste der Kritik der politischen Ökonomie stützen.

 

4. Alternative Interpretationen der Wert-Preis Transformation

Faßt man die Kritik an der Werttheorie, die sich bei der Debatte um das Transformationsproblem ergeben hat, zusammen, so erhält man zwei wesentliche Punkte:

1. Die von Marx behaupteten Identitäten von Mehrwertsumme und Profitsumme sowie von Wertsumme und Produktionspreissumme können in der Regel nicht gleichzeitig erfüllt sein. Oder anders ausgedrückt: die allgemeine Profitrate des Preissystems ist mit dem Durchschnitt der Wertprofitraten nicht identisch. Gegen die Werttheorie kann man dann folgern, daß Profit und Mehrwert anscheinend nichts miteinander zu tun haben.

2. Um ein konsistentes System von Produktionspreisen zu berechnen, ist die Kenntnis von Wertgrößen überflüssig, es genügt ein physisches Mengensystem von Produktionsmittel- und Arbeitsinputs, in dem die technische Produktionsstruktur ihren Ausdruck findet. Die Werttheorie erscheint somit als redundant.

Gegen den ersten Punkt kann man (strikt innerhalb des Formalismus der linearen Modelle) zunächst mit dem "Fundamentaltheorem" argumentieren, daß eine positive Profitrate genau dann vorliegt wenn auch die Mehrwertrate positiv ist. Da die Profitmasse aber von der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse in der Regel abweicht (falls man die plausible Normierung Wertsumme gleich Preissumme wählt) scheint es so als könne Profit "aus dem Nichts" entstehen. Demgegenüber hat aber bereits Itoh (1976) eingewendet, daß (bei einfacher Reproduktion) Profitmasse und Mehrwertmasse für dasselbe Mehrprodukt verausgabt werden. Dies wird besonders bei dem oben angeführten Dreisektorenmodell von Bortkiewiecz deutlich: was die Kapitalisten für ihren Überschuß kaufen (sei er nun zu Preisen als Profit oder zu Werten als Mehrwert berechnet) ist stets das Gesamtprodukt der Abteilung drei. Eine formale Verallgemeinerung dieses Arguments findet sich bei Lipietz (1982, S.66). Bei der Abweichung der Wertprofitrate von der Preisprofitrate handelt es sich also nicht um mysteriöse Entstehungs- oder Vernichtungsprozesse. Man muß sich vielmehr von der Vorstellung lösen, das Preissystem würde sich aus dem Wertsystem durch eine einfache Umverteilung vorhandener Mehrwertquanten ergeben (zur Kritik dieser Vorstellung siehe Cogoy, 1977, S.34ff).

Gegenüber dem zweiten Punkt wurde die Marxsche Werttheorie mit unterschiedlichen Strategien verteidigt. Akzeptiert man den oben dargestellten quantitativen Formalismus, so kann man sich der Konsequenz, daß Produktionspreise ohne Kenntnis des Wertsystems berechnet werden können, nicht entziehen ([18]). Es wurde allerdings gegen den von Samuelson, Steedman und anderen erhobnen Redundanzvorwurf geltend gemacht, daß es Marx überhaupt nicht um die quantitative Deduktion von Produktionspreisen aus Werten gehe, sondern um den qualitativen Nachweis, daß Profit (sowie die abgeleiteten Formen Zins und Rente) auf Mehrwert und damit auf unbezahlter Mehrarbeit beruhen (Mattick 1973, Baumol 1974, Armstrong et al. 1978). Insofern lassen sich die linearen Modelle als vom Wertsystem unabhängige Methode zur Berechnung von Produktionspreisen akzeptieren, und zugleich der Redundanzvorwurf zurückweisen, da es Marx gerade auf diese Berechnung nicht angekommen sei. Sofern sich diese Auffassung als das ausgibt "what Marx really meant" (so der Titel von Baumols Aufsatz), geht sie allerdings an den explizit ausgedrückten Intentionen des dritten Bandes vorbei: es ist zwar richtig, daß es Marx wesentlich darauf ankam nachzuweisen, daß Profit nur eine verwandelte Form des Mehrwerts ist, doch will er dies gerade durch die quantitative Bestimmung von Preisen und allgemeiner Profitrate vermittels Wert- und Mehrwertgrößen zeigen. Insofern ist zumindest die Marxsche Argumentationsstrategie sehr wohl durch den Redundanzvorwurf getroffen.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten sich mit dem zweiten Vorwurf auseinanderzusetzen. Man kann den von den Neoricardianern vorgegebenen formalen Rahmen weitgehend akzeptieren, das Verhältnis von Werten und Preisen aber innerhalb dieses Rahmens in einer anderen Weise bestimmen. Oder aber man kritisiert die dargestellten quantitativen Modelle als inadäquate Rekonstruktionen der Marxschen Problematik. Dann wird der Redundanzvorwurf zwar hinfällig, da sich diese Modelle nicht zur Kritik an der Werttheorie verwenden lassen; da dies aber nichts daran ändert, daß das Marxsche Transformationsverfahren inkorrekt ist, ist man auch hier auf neue Konzepte für das Verhältnis von Werten zu Preisen angewiesen. In diesem Abschnitt werden zunächst einige Varianten der ersten Art dargestellt.

 

a) Einschränkung der Transformation auf das Wertprodukt

Eine Interpretation der Wert-Preis Transformation, die die neoricardianische Methode der Berechnung von Produktionspreisen und Durchschnittsprofitrate zwar nicht in Frage stellt, die aber trotzdem möglichst nahe an der Marxschen Darstellung zu bleiben versucht und der Arbeitswerttheorie eine wesentliche Rolle zuweist, wurde unabhängig voneinander von Dumenil (1980) und Foley (1982) entwickelt und dann von Lipietz (1982) formalisiert. Verschieden von der Marxschen Auffassung sind bei dieser Interpretation vor allem zwei Punkte. Da die Produktionsmittel aus einer anderen Produktionsperiode stammen und stets neu bewertet werden müssen, wird nicht mehr an der Identität von Wertsumme und Produktionspreissumme festgehalten. Gegenstand der Transformation ist nur noch der durch die Verausgabung der lebendigen Arbeit geschaffene neue Wert, so daß lediglich Preis und Wert des Nettoprodukts gleich sein sollen. Vor allem aber wird der Wert der Arbeitskraft nicht mehr wie bei Marx durch den Wert eines zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen Konsumgüterbündels bestimmt. Stattdessen wird vom Geldlohn ausgegangen. Dieser stellt einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil des durch die Arbeit neu geschaffenen Wertprodukts dar. Der Wert der Arbeitskraft wird dann als dieser Anteil am Wertprodukt aufgefasst. Für die Arbeitskraft fällt daher Wert und Produktionspreis zusammen. Dafür wird der Wert der Waren, die der Arbeiter von seinem Geldlohn zu Produktionspreisen kauft, in der Regel von diesem neu bestimmten "Wert der Arbeitskraft" abweichen. Kaufen verschiedene Arbeiter mit demselben Geldlohn unterschiedliche Warenkörbe, so wird auch der Wert dieser Warenkörbe unterschiedlich sein. Dieses Vorgehen gewinnt seine Plausibilität daraus, daß es offensichtlich kein für alle Arbeitskräfte eindeutig bestimmtes, für ihre Reproduktion notwendiges Konsumgüterbündel gibt, sie vielmehr verschiedene Möglichkeiten besitzen, ihre Geldlöhne zu verausgaben.

Da das durch Gleichungssystem (A) dargestellte Produktionspreissystem einen Freiheitsgrad besitzt, kann man die Preise so normieren, daß die Summe aus Mehrwerten und variablem Kapital gleich der Summe aus Löhnen und Profiten ist ([19]). Da für die Arbeitskraft aber Wert und Produktionspreis zusammenfällt, also die Lohnsumme gleich dem gesamten variablen Kapital ist, folgt, daß auch die Summe der Profite gleich der Summe der Mehrwerte ist. Diese quantitative Transformation drückt nun aus, daß das von den Arbeitskräften neugeschaffene Wertprodukt zwischen Arbeitern und Kapitalisten verteilt wird, daß der Mehrwert allerdings zwischen den Kapitalisten umverteilt wird, was der Marxschen Beschreibung des Prozesses entspricht. Daß sich Produktionspreise und Durchschnittsprofitrate ohne die Kenntnis von Werten berechnen lassen, wird dabei nicht bestritten. Allerdings wird daraus nicht auf die Redundanz der Werttheorie geschlossen. Dumenil (1983, S.434ff) faßt das Produktionspreissystem als ein Modell auf, das bloß die Erscheinungen der Realität repräsentiert, und das überhaupt erst der theoretischen Erklärung bedürfe. Er illustriert dies am Beispiel der Gravitation: die bloße mathematische Beschreibung der Fallbewegung eines Körpers ist zwar auch ohne Gravitationstheorie möglich, sie macht eine solche Theorie aber keineswegs überflüssig. Genausowenig macht die Multiplikation mit 1+r eine Erklärung des Profits überflüssig. ([20])

 

b) Einführung heterogener Arbeit

Krause bietet eine Lösung des Transformationsproblems an, die auf einer partiellen Reformulierung der Marxschen Werttheorie beruht (Krause 1977, 1979a, 1979b). Er lehnt die "substanzlogische Argumentation" von Marx, d.h. die Auffassung des Werts als einer den einzelnen Waren zukommenden Substanz ab, und ersetzt sie durch eine "Relationenlogik". Wert wird als eine (binäre) Relation auf der Menge der Waren aufgefaßt. Von Äquivalenz oder Äquivalententausch könne man nicht in Bezug auf den einzelnen Tauschakt sondern nur in Bezug auf das gesamte Tauschsystem sprechen: Äquivalententausch liege vor, falls die Wertrelation eine Äquivalenzrelation sei ([21]). Da es sich bei "Wert" um eine Relation handle, könne man nicht vom Wert einer Ware sprechen. Das Marxsche Argument, die Tauschgleichung drücke aus, daß in den beiden Waren ein "Gemeinsames von derselben Größe" (MEW 23, S.51) enthalten ist, wird als scholastisch zurückgewiesen (Krause 1977,152ff) ([22]). Die Notwendigkeit des Geldes wird bei Krause durch das Auseinanderfallen von Gebrauchsstruktur und Tauschstruktur begründet, d.h. je nach Gebrauchsstruktur sind die Bedürfnisse der einzelnen Produzenten nicht alle durch direkten Tausch zu erfüllen, eine Schwierigkeit, die vermittels Geld behoben werden kann ([23]).

An der neoricardianischen und den meisten marxistischen Auffassungen der Werttheorie kritisiert Krause, daß stets homogene Arbeit vorausgesetzt würde. Tatsächlich sind die Waren aber Produkte heterogener, d.h. unterschiedlicher konkreter Arbeit. Im Tausch werden diese verschiedenen Arbeiten einander in einem bestimmten quantitativen Verhältnis gleichgesetzt, so daß gilt:

1 Stunde Arbeit der Art A = xab Stunden Arbeit der Art B.

Die Zahlen xab heißen Reduktionskoeffizienten. Abstrakte Arbeit ist nach Krause konkrete Arbeit in ihrer Gleichgeltung mit anderen konkreten Arbeiten. Die Wertgröße der Waren ist erst dann bestimmt, wenn die Reduktionskoeffizienten bekannt sind und man sich auf eine bestimmte konkrete Arbeit als Einheit bezieht. Nun argumentiert Krause, daß sich die Reduktionskoeffizienten nicht allein aufgrund der technischen Produktionsbedingungen ([24]) sondern nur durch die gemeinsame Betrachtung von Produktion und Zirkulation bestimmen lassen: er formuliert als "fundamentale Beziehung" die Proportionalität von Werten und Preisen (Krause 1977, S.159, 1979a, S.36, 1979b, S.100). Auf der Darstellungsebene des ersten Bandes des "Kapital" sei die Ausführung dieser Berechnung aber weder möglich noch notwendig. Erst aufgrund der Preise, die eine allgemeine Profitrate ermöglichen, lassen sich auch die Reduktionskoeffizienten bestimmen. Da für die unterschiedlichen Arbeiten aber auch unterschiedliche Lohnsätze bezahlt werden, ist das System nun unterbestimmt: 4n+1 Unbekannten (jeweils n Preisen, Werten, Lohnsätzen und Reduktionskoeffizienten, sowie einer Profitrate) stehen nur 3n-1 Gleichungen (jeweils n Gleichungen für die Preise und die Werte sowie n-1 Gleichungen für die Proportionalität von Werten und Preisen) gegenüber, so daß sich für die Variablen keine eindeutigen Lösungen ergeben. Es können daher noch zusätzliche Bedingungen (wie z.B. die Identität von Mehrwertmasse und Profitmasse sowie von Wertsumme und Preissumme) an das System gestellt werden können. Das "Transformationsproblem" verschwindet nicht nur, wie Krause meint, weil die Werte nicht vor den Preisen bestimmt werden, es also gar keine Transformation von gegebenen Werten in Preise gibt, sondern vor allem weil durch die Einführung von zusätzlichen Variablen (in Gestalt der Reduktionskoeffizienten) das Wert-Preis-System derartig flexibel geworden ist, daß man nahezu alles damit machen kann ([25]).

 

c) Werte, Preise und Profite als stochastische Größen

Im Rahmen eines neuen Zugangs zur politischen Ökonomie legten Farjoun und Machover (1983) auch eine Interpretation der Wert-Preis Transformation vor. Ihr neuer Ansatz basiert auf einer Kritik desjenigen Punktes, in welchem Marx und die bürgerliche Ökonomie übereinstimmen: der Charakterisierung eines Gleichgewichtszustandes durch die Annahme einer für alle Kapitale gleichen Profitrate. Farjoun/Machover bestreiten sowohl die theoretische Konsistenz als auch die empirische Triftigkeit einer solchen Auffassung von Gleichgewicht. Theoretisch inkonsistent sei sie deshalb, weil die kapitalistische Konkurrenz nicht nur Bewegungen hervorbringt, die zu einem Profitratenausgleich führen, sondern auch solche die immer wieder neue Profitratenunterschiede erzeugten ([26]). Auch wenn der Zustand eines Profitratenausgleichs tatsächlich einmal erreicht worden sei, würde er sofort wieder durch die dem System eigene Dynamik zerstört werden. Wird unter Gleichgewicht aber der Zustand verstanden, zu dem ein System aufgrund seiner inneren Kräfte hinstrebt, so könne dies für eine kapitalistische Ökonmie nicht die Situation gleicher Profitraten sein. Auch empirische Ergebnisse würden keineswegs darauf hindeuten, daß sich kapitalistische Ökonomien als Oszillation um einen durch gleiche Profitraten charakterisierten Zustand auffassen lassen. Farjoun/Machover schlagen daher vor, den Gleichgewichtszustand nicht durch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate sondern durch eine bestimmte Profitratenverteilung zu charakterisieren. Die Konkurrenz führe zwar dazu, daß sich die Profitraten der einzelnen Kapitale beständig änderten, die Verteilung der Profitraten auf das Gesamtkapital aber etwa konstant bliebe. Dies hieße, daß beispielsweise der Anteil des gesellschaftlichen Kapitals mit einer extrem niedrigen Profitrate ungefähr gleich bleiben, die Einzelkapitale, die diesen Teil bilden, aber mit der Zeit wechseln würden. Farjoun/Machover schlagen daher vor, die Profitrate (ebenso wie Preise und Lohnraten) als Zufallsvariable aufzufassen. Dem "deterministischen" Ansatz der bisherigen politischen Ökonomie stellen sie einen "probabilistischen" gegenüber: statt der linearen Algebra soll die Wahrscheinlichkeitstheorie zur Formalisierung von Aussagen verwendet werden.

Um nun zu bestimmten ökonomischen Aussagen zu kommen, müssen Annahmen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einzelnen Größen gemacht werden. Aufgrund von empirischen und heuristischen Argumenten gehen Farjoun/Machover nicht von Normalverteilungen sondern von sogenannten Gammaverteilungen aus ([27]). Gestützt auf empirische Untersuchungen des englischen und des amerikanischen Kapitals behaupten sie, daß das Verhältnis von Profiten zu Löhnen bei den einzelnen Kapitalen nahezu gleich ist. Daraus folgern sie dann, daß die Verteilungen für die Profitraten und den Lohn pro Kapitaleinheit ähnlich sein müssen, so daß der Quotient aus diesen beiden Zufallsvariablen (der selbst wieder eine Zufallsvariable darstellt), nahezu degeneriert ist (Farjoun/Machover 1983, S.69f).

Während sie den Arbeitsinhalt einer Ware als durch die optimalen Produktionsmethoden gegeben ansehen, fassen Farjoun/Machover ihren Preis wieder als Zufallsvariable auf. Das Verhältnis von Preis zu Arbeitsinhalt bezeichnen sie als "spezifischen Preis". Wären die Preise den Werten proportional, so wäre der spezifische Preis für jede Ware gleich. Dies wird von den Autoren zwar abgestritten, da sie die Preise als Zufallsvariable auffassen, doch versuchen sie nachzuweisen, daß die Zufallsvariable "spezifischer Preis" normalverteilt ist und eine geringe Standardabweichung besitzt, so daß sich die Warenpreise "fast" wie die Werte verhalten. In diesem Fall entsteht natürlich auch kein Transformationsproblem: die Profitratenunterschiede, von denen die Autoren auch im Gleichgewicht ausgehen, lassen sich in erster Nährung durch einen Tausch "nahezu" zu Werten begreifen. In diesem Sachverhalt erblicken Farjoun/Machover auch einen Grund für die Überlegenheit der Marxschen Ökonomie: die Annahme einer gleichen Profitrate, in der die beiden das Hauptübel aller ökonomischen Theorie erblicken, wird erst in einer verhältnismäßig späten Stufe der Marxsche Theorie relevant; ein Großteil ihrer Aussagen ist daher von diesem zweifelhaften Theorem unabhängig.

Die Normalverteilung des spezifischen Preises, die ergibt, daß die wirklichen Tauschakte durch einen Tausch zu Werten nahezu richtig beschrieben werden und das Transformationsproblem somit verschwindet, läßt sich allerdings nicht, wie auch die Autoren zugeben, zwingend herleiten (Farjoun/Machover, 1983 S.111). Sie argumentieren mit bestimmten Abschätzungen, die sich auf Plausibilitätsannahmen stützen. Dabei geht aber ganz wesentlich die Annahme ein, daß sich das ökonomische System fast in einem steady-state Zustand befindet (ebd. S.117). Dies erscheint aber nicht nur aus empirischen Gründen dubios. Farjoun und Machover führen die Realitätsferne eines solchen Zustandes an vielen Stellen ihres Buches als Argument gegen den Determinismus der bürgerlichen wie der Marxschen Ökonomie an.

 

5. Die monetäre Werttheorie von Marx

Mit Ausnahme von Farjoun/Machover verblieben die im letzen Abschnitt vorgestellten Autoren weitgehend in dem von den Neoricardianern vorgegebenen theoretischen Rahmen. Allerdings gibt es auch Ansätze, die diesen Rahmen einer Kritik unterziehen. So wurde eingewandt, daß die Formalisierung der Werttheorie vermittels linearer Modelle keineswegs die rationale Rekonstruktion der Marxschen Wertlehre sei, als die sie sich selbst versteht. Vielmehr handle es sich um eine einseitige preistheoretische Lesart, die so zentrale Elemente wie den Unterschied von konkreter und abstrakter Arbeit überhaupt nicht aufnehme (Berger 1979). Vor allem aber werde die Marxsche Wertformanalyse und der zentrale Stellenwert des Geldes als eines systemnotwendigen Steuerungsmittels nicht berücksichtigt. Damit werde in diesen Modellen aber gerade das Spezifische einer Warenökonomie verfehlt (Ganßmann 1983). In der Tat unterstellen die linearen Modelle ein technisch bestimmtes Produktionssystem, sowie einen bestimmten Reallohnsatz aus dem dann die Preise berechnet werden, die jedem Unternehmen die gleiche Profitrate ermöglichen. Diese gleiche Profitrate wird aber nur dann erzielt, wenn das gesamte Produkt verkauft werden kann. Die errechneten Preise machen also nur Sinn, wenn immer schon unterstellt ist, daß sich das System im Gleichgewicht befindet. Geld kann dann nur die Rolle eines numéraires spielen. Da die Mengenrelationen bekannt sind und auch genau die für das Gleichgewicht erforderlichen Mengen produziert werden, ist die Auspreisung eigentlich überflüssig: für das Funktionieren der Ökonomie ist sie nicht konstitutiv, sie erscheint eher als der nachträgliche Akt des Theoretikers. In der neoricardianischen Ökonomie ermöglicht also nicht erst der Bezug auf Geld die stets prekäre Reproduktion (wie in einer wirklichen Warenökonomie) sondern umgekehrt: das vorausgesetzte Reproduktionsgleichgewicht ermöglicht die Beziehung auf Geld.

Die Abstraktion vom Geld trifft aber auch auf sämtliche Alternativmodelle des vorigen Abschnitts zu. Der "value of money" von Foley ist lediglich ein Umrechnungsfaktor, der das Wertprodukt mit dem Preis des Nettoprodukts in Beziehung setzt. Dieser "Foley-Faktor" hat mit Geld als spezifischer Strukturbildung der Warenzirkulation absolut nichts zu tun. Ebenso verhält es sich mit Krauses Betonung der Wichtigkeit der Wertform. Sie erschöpft sich bei ihm in der Behauptung der Proportionalität von Werten und Preisen. Weder in dem Dumenil/Lipietz/Foley Ansatz noch bei Krause kommt Geld eine konstitutive Bedeutung zu. Dies kann auch gar nicht anders sein, da sie wie die Neoricardianer implizit einen fertigen Gleichgewichtszustand unterstellen und lediglich eine andere Zuordnung von Wertgrößen zu entsprechenden Mengen suchen. Aber auch bei Farjoun/Machover spielt Geld keine Rolle. Insofern weicht ihre Problemstellung doch nicht so wesentlich von derjenigen der Neoricardianer ab, sie verwenden lediglich einen anderen mathematischen Formalismus für denselben merkwürdigen Gegenstand einer geldlosen Warenökonomie. Das für die Marxsche Werttheorie zentrale Problem, wie Arbeitsprodukte nicht als bloß einander gegenüberstehende Gebrauchswerte sondern als Waren aufeinander bezogen werden können, wie sich privat verausgabte Arbeit als gesellschaftliche Arbeit konstituiert, wird überhaupt nicht gestellt. Daher kann auch Geld als Lösung dieser Probleme und zugleich Anlaß für Strukturbildungen, die über die einfache Warenzirkulation hinausgehen, nicht thematisiert werden.

Der Einwand, daß vom Gelde abstrahiert wird, läßt sich allerdings auch gegenüber der Marxschen Darstellung der Transformation von Werten in Produktionspreise im dritten Band des "Kapital" vorbringen. Sein quantitativer Transformationsversuch von Werten in Preise setzte ein bestehendes System von Wertgrößen voraus. Da die Waren aber nicht zu diesen Werten ausgetauscht werden sondern zu Produktionspreisen, muß es sich bei diesen Wertgrößen um Wertgrößen handeln, die den Waren bereits vor dem Austausch zukommen, also ohne Bezug auf Geld. Das heißt jede einzelne Ware besitzt bereits eine fertige Wertgröße bevor sie auf den Markt gebracht wird. Das eigentliche Problem des Warentausches, daß die Waren nur als Werte aufeinander bezogen werden können, wenn sie auf Geld bezogen werden, erscheint hier genausowenig wie bei den Neoricardianern. Insofern gehen deren Rekonstruktionsversuche zwar an der der Komplexität der im ersten Band des "Kapital" präsentierten Werttheorie vorbei, den Werten aber, die Marx im dritten Band in Produktionspreise transformieren will, scheint sie einigermaßen angemessen zu sein. Das bedeutet aber nichts anderes, als das die Marxsche Werttheorie ein viel weniger einheitliches Gebäude ist, als die meisten Interpreten annehmen.

 

a) Marx' neues Paradigma

Marx hat die Arbeitswerttheorie der bürgerlichen Klassik nicht einfach übernommen und an einigen Stellen verbessert, wie manche Autoren meinen. Seine Kritik der politischen Ökonomie muß vielmehr als eine "wissenschaftliche Revolution" im Sinne von Kuhn (1962), als ein Paradigmenwechsel und nicht als Fortschritt innerhalb eines gegebenen Paradigmas aufgefaßt werden ([28]). In Anlehnung an die Arbeiten von Althusser (1968, 1972) läßt sich dieser Paradigmenwechsel als Aufgeben einer anthropologischen Begründung des theoretischen Feldes der Ökonomie begreifen. Daß die Größe des (Tausch)Werts einer Ware durch die zu ihrer Produktion notwendige Arbeitszeit bestimmt sei, wurde von Adam Smith mit der Rationalität der einzelnen Warenproduzenten begründet. Da die mit der Arbeit verbundene Mühe den wirklichen Preis für die Erlangung eines Dinges ausmache, werde es nicht gegen etwas getauscht, dessen Erlangung weniger Mühe verursache (Smith 1776, S.37, 41) ([29]). Im Gegensatz zu dieser Auffassung schreibt Marx im "Kapital":

"Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es." (MEW 23, S.88, Hervorhebung von mir)

Marx bestimmt den Wert gerade nicht durch einen Rekurs auf die Rationalität der Warenbesitzer, sondern als Ausdruck einer gesellschaftlichen Struktur, die den Individuen ihre Plätze anweist und eine bestimmte Rationalität überhaupt erst hervorbringt. Diesem neuen Terrain ökonomischer Begriffsbildung verdankt sich auch die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Arbeit. Nicht konkrete Arbeit (die der einzelne Warenproduzent verrichtet und die ihm Mühe verursacht) sondern abstrakte Arbeit, d.h. Arbeit, die dadurch zu gesellschaftlicher Arbeit wird, daß sie im Tausch ihrer Produkte als gleiche menschliche Arbeit auf andere Arbeit bezogen wird, ist wertbestimmend. In der Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte (die eben kein natürliches sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist) kommt der für die bürgerliche Gesellschaft spezifisch gesellschaftliche Charakters der Arbeit zum Ausdruck. Die Untersuchung dieses "spezifisch gesellschaftlichen Charakters" und nicht die Begründung des Satzes, daß das Austauschverhältnis zweier Waren den inkorporierten Arbeitsmengen proportional ist, ist der eigentliche Gegenstand der Marxschen Werttheorie ([30]).

Der Wert einer Ware kann nun nicht an ihr selbst bestimmt werden, sondern nur in der Beziehung auf die übrigen Waren und dies ist nur vermittels des Geldes möglich. Daher ist die Marxsche Werttheorie wesentlich "monetäre Werttheorie" ([31]). Die Klassik, die dagegen vom Rationalitätskalkül des einzelnen Warenbesitzers (der das Produkt seiner Mühe nur gegen ein Produkt von gleicher Mühe tauschen will) ausgeht, thematisiert im Grunde eine Barterökonomie. Geld kann sie dabei nur als ein bloß technisches Hilfsmittel begreifen. Dieser prämonetäre Ansatz wird bei allen inhaltlichen Unterschieden auch von der Neoklassik und den Neoricardianern geteilt. Dagegen faßt Marx die bürgerliche Ökonomie wirklich als Warenökonomie, die sich eben nicht aus einzelnen Tauschakten sondern durch einen allseitigen über Geld vermittelten Zusammenhang herstellt. Das bedeutet aber auch, daß es sich verbietet von einer vor dem tatsächlichen Tausch vorhandenen quantitativ bestimmten Wertstruktur auszugehen ([32]). Dann stellt sich das Problem der Wert-Preis Transformation aber auch nicht in der Art wie es von Marx im 9.Kapitel des dritten Bandes aufgefaßt wird, als Umrechnung von gegebenen Wert- in aufzufindende Preisgrößen.

 

b) Das Transformationsproblem als ricardianischer Rest bei Marx

Daß Marx überhaupt in die Sackgasse einer quantitativen Wert-Preis Transformation geriet, wird verständlich, wenn man die Herausbildung seiner eigenen theoretischen Konzeption betrachtet. Marx eröffnete zwar ein neues wissenschaftliches Terrain, das von dem der klassischen politischen Ökonomie unterschieden ist, doch war er sich, wie Althusser (1972) deutlich gemacht hat, keineswegs über den Begriff dieser Differenz vollständig im Klaren. So ist es nicht verwunderlich, daß sich im "Kapital" auch noch Konzepte und Fragestellungen vorfinden, die sich dem bereits überwundenen Feld verdanken. Marx entwickelte seine theoretischen Konzepte zu großen Teilen in Auseinandersetzung mit Ricardo als dem fortgeschrittensten bürgerlichen Ökonomen. Er deckte dessen Widersprüche auf und versuchte sie selbst zu lösen. Bereits in den "Grundrissen" hatte Marx erkannt, daß Ricardo auf der Grundlage seiner eigenen Wertbestimmung zwei zentrale Probleme nicht gelöst hatte:

- die Erklärung des "Austauschs zwischen Kapital und Arbeit" (d.h. Ricardo konnte nicht erklären wieso die Arbeit einen höheren Wert schaffen kann, als sie selbst besitzt und ihr vom Kapital bezahlt wird),

- die Vereinbarkeit der Wertbestimmung durch Arbeit mit der Existenz einer allgemeinen Profitrate.

Beide Probleme will Marx auf der Grundlage der Werttheorie lösen. Zu dem Zeitpunkt als Marx diese Probleme erkannt hatte, hatte er aber seine "monetäre Werttheorie" noch nicht klar herausgearbeitet. Seine Problemstellung war daher noch von einer "ricardianisch" gefaßten Werttheorie geprägt. Die Ausformulierung seiner eigenen Werttheorie, die Schaffung eines neuen Paradigmas und die Abarbeitung am alten Paradigma, der Versuch, dessen Widersprüche zu verstehen und zum Teil auch zu lösen war bei Marx ein einziger untrennbarer und vor allem unabgeschlossener Prozeß.

Ricardo bestimmte im Wertkapitel seiner "Principles" (Ricardo 1817) die relativen Werte zweier Waren zunächst durch die verhältnismäßigen Arbeitsmengen, die zu ihrer Produktion direkt und indirekt erforderlich sind. Andererseits ging er auch davon aus, daß Kapitale, die ihre Produkte zu ihren Werten verkaufen, eine gleiche Profitrate erzielen würden. Nun war ihm aufgefallen, daß sich bei zwei Waren, die mit einem unterschiedlichen Verhältnis von direkter zu indirekter Arbeit produziert wurden, Lohnerhöhungen unterschiedlich auf die mit diesen Waren erzielten Profitraten auswirken. Daher folgerte er, daß im obigen Fall die Wertbestimmung "modifiziert" werden müsste. Verändert sich das Austauchverhältnis der beiden Waren nach der Lohnerhöhung nämlich nicht, so werden beide nicht mehr mit derselben Profitrate produziert. Ricardo zog daraus den Schluß, daß sich die relativen Werte auch ohne Änderung der zur Produktion notwendigen Arbeitsmengen ändern müßten, dann nämlich wenn die Waren mit unterschiedlichen Mengen an direkter und indirekter Arbeit produziert würden und es zu einer Lohnänderung käme.

Ein Wertsystem, das nur die zur Produktion der Waren notwendigen Arbeitsmengen widerspiegelt, ist verteilungsunabhängig. Ricardos Entdeckung bestand nun darin, daß Austauschrelationen, die eine Durchschnittsprofitrate ermöglichen, nicht verteilungsunabhängig sein können. Er folgerte daher, daß solche Austauschrelationen dann auch nicht ausschließlich durch die relativen Arbeitsmengen bestimmt werden. Diesen generellen Sachverhalt untersuchte er aber an einen speziellen Fall, nämlich dem Einfluß von Lohnänderungen auf die Austauschrelationen ([33]).

Marx hielt gegenüber Ricardo in aller Klarheit den Unterschied zwischen einem Tausch zu Werten, die den zur Produktion aufgewendeten Arbeitsmengen proportional sind und einem Tausch zu Produktionspreisen, die den verschiedenen Kapitalien eine gleiche Profitrate ermöglichen, fest. Damit holte er zunächst nur eine bei Ricardo unvollkommene Unterscheidung nach. Zugleich versuchte er aber auch eine quantitative Verbindung zwischen beiden Sphären anzugeben, d.h. er versuchte aus gegebenen Wertgrößen Durchschnittsprofitrate und Produktionspreise zu berechnen. Die Möglichkeit einer solchen Berechnung setzt aber die quantitative Bestimmung der einzelnen Wertgrößen unabhängig vom Austausch voraus. Werte werden dann wie bei Ricardo auf bloße Arbeitsquantitäten, die unabhängig von Geld sind, reduziert. Und in der Tat wendet Marx nicht einfach einen falschen Transformationsalgorithmus an, er abstrahiert vor allem völlig vom Geld. Er zeigte also nicht nur ein Problem Ricardos auf, er versuchte es auch auf dem von Ricardo vorgegebenen Terrain einer nicht-monetären Arbeitswerttheorie zu lösen. Das eigentliche Verdienst der Neoricardianer ist nun darin zu sehen, daß sie gezeigt haben, daß eine solche nicht-monetäre Werttheorie zur Bestimmung (der ebenfalls nicht-monetären) Produktionspreise überflüssig ist.

 

c) Die Wert-Preis Transformation als begrifflicher Übergang zwischen verschiedenen Stufen der Darstellung

Die Marxsche monetäre Werttheorie, deren Elemente sich im ersten Band des "Kapital" und vor allem in "Zur Kritik der politischen Ökonomie" finden, hat es nicht in erster Linie damit zu tun, daß die Wertgröße einer Ware durch ein bestimmtes Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit bestimmt ist, sondern mit dem spezifisch gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, die sich überhaupt als Ware darstellt. Diese spezifisch gesellschaftlichen Bestimmungen erschöpfen sich aber nicht in der bloßen Feststellung des Doppelcharakters der Waren produzierenden Arbeit. Gesellschaftlich wird die verausgabte Arbeitszeit nur, wenn sie sich als "allgemeine Arbeitszeit" (MEW 13, S.19) erweist, die sich "in einem allgemeinen Produkt, einem allgemeinen Äquivalent" (MEW 13, S.20) darstellt. Der eigentliche Gegenstand der monetären Werttheorie ist daher nicht die Wertgröße sondern die Wertform und ihre entwickeltste Gestalt, die Geldform, sowie die auf ihr beruhenden Strukturbildungen ([34]). Die Transformation von Werten in Produktionspreise ist als Bestandteil dieser Formanalyse keine Umrechnung von einem quantitativen System in ein anderes, sondern begrifflich-logischer Übergang zwischen verschiedenen Ebenen der Darstellung, wie bereits von einigen Autoren mit unterschiedlicher Akzentuierung hervorgehoben wurde (Gerstein 1976, Himmelweit/Mohun 1981). Wurde im ersten Band des "Kapital" der Zusammenhang von Ware und Geld zunächst abstrakt, d.h. in Absehung der weiteren Verhältnisse unter denen Warenproduktion und -zirkulation stattfindet, dargestellt, um dann den Begriff des Kapitals (dessen unmittelbaren Produktions- und Zirkulationsprozeß) auf dieser Grundlage zu entwickeln, so wird im dritten Band des "Kapital" Produktion und Zirkulation von Waren erst wirklich als Resultat kapitalistischer Produktion aufgefaßt. Ware ist jetzt nicht mehr nur Resultat einer spezifisch gesellschaftlichen Form von Arbeit, Ware ist jetzt konkreter bestimmt als Resultat kapitalistischer Lohnarbeit, der Verausgabung von Kapital. Nur dieser Übergang läßt sich sinnvoll als "Verwandlung der Warenwerte in Produktionspreise" fassen ([35]). Die Inkongruenz der Werte und der Produktionspreise drückt dann nicht, wie die Marxsche Darstellung nahe legt, aus, daß eine zunächst formulierte quantitative Bestimmung der Tauschrelationen ("Äquivalententausch") durch eine verfeinerte (Tausch zu Produktionspreisen) ersetzt wurde; sie drückt vielmehr aus, daß sich mit dem Wechsel der Darstellungsebene das theoretische Beziehungsgefüge der den Tausch determinierenden Faktoren geändert hat. Im Rahmen einer solchen Auffassung der Werttheorie ist es aber dann äußerst problematisch, von einer irgendwie gearteten quantitativen Regulation des Preissystems durch die Werte zu sprechen, denn damit wird unterstellt, dass irgendwo ein gewissermaßen reines, quantitativ fixiertes Wertsystem existiert ([36]), als dessen Ausfluß sich ein bestimmtes Preissystem ergibt. Von Regulation kann nur insofern gesprochen werden als die Kategorie Wert dem Verständnis der Kategorien Preis, Profit etc. vorgeordnet ist, daß wenn daher sinnvoll von Preisen und Profiten gesprochen wird, Werte (begrifflich) immer schon vorausgesetzt werden ([37]). Allerdings erscheint mir dann für die Charakterisierung des Verhältnisses von Werten zu Preisen der von Althusser geprägte Begriff "strukturaler Kausalität" (Althusser 1972, Kap.9) zutreffender zu sein ([38]).

Die qualitativ aufgefaßte monetäre Werttheorie hat zwar keine Schwierigkeiten mit dem klassischen Transformationsproblem, allerdings hat sie mit Problemen auf dem von ihr beanspruchten Feld zu kämpfen: der Geld- und Kredittheorie. Marx entwickelte im ersten Band des "Kapital" zwar den monetären Charakter des Werts, die Ansätze einer Geldtheorie erscheinen allerdings durch ihre enge Bindung an die Existenz einer Geldware problematisch und die Kredittheorie im dritten Band blieb von vorneherein ein Fragment. Auf wichtige ökonomische Fragen ist die "monetäre Werttheorie" die Antwort noch schuldig geblieben.

 

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[1]) Bereits im neunten Kapitel des ersten Bandes hatte Marx gezeigt, daß die von verschiedenen Kapitalen produzierten Mehrwertmassen nicht dem Gesamtkapital sondern lediglich dem variablen Kapitalteil proportional sind. Er setzte hinzu: "Dies Gesetz widerspricht offenbar aller auf Augenschein gegründeten Erfahrung. (...) Zur Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs bedarf es noch vieler Mittelglieder." (MEW 23, S.325)

[2]) Im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen zweiten Band des "Kapital" hatte Engels diese Aufgabe bereits denjenigen gestellt, die behaupteten, Marx habe seine Wert- und Mehrwerttheorie bei Rodbertus abgeschrieben (MEW 22, S.26). Bereits vor Erscheinen des dritten Bandes löste er damit die Debatte über die Transformation von Werten in Preise, die eine allgemeine Profitrate ermöglichen, aus.

[3]) Es geht hier also nicht um den täglich schwankenden Marktpreis sondern um das Schwankungszentrum der Marktpreise: dieses kann nicht mehr vom Wert, sondern muß von einem davon abweichenden Durchschnittspreis gebildet werden.

[4]) Zur Vereinfachung werden gleiche Umschlagszeiten für alle Kapitale vorausgesetzt.

[5]) "Diese besondren Profitraten sind in jeder Produktionssphäre = m/C und sind, wie dies im ersten Abschnitt dieses Buchs geschehn, aus dem Wert der Ware zu entwickeln. Ohne diese Entwicklung bleibt die allgemeine Profitrate (und daher auch der Produktionspreis der Ware) eine sinn- und begriffslose Vorstellung." (MEW 25, S.167, Hervorh. von mir)

[6]) Zwar machten schon Böhm-Bawerk (1896) und Tugan-Baranovsky (1905) das Verhältnis von Werten und Produktionspreisen zum Gegenstand ihrer Kritik, der dargestellte systematische Fehler der Marxschen Konstruktion wurde von ihnen aber nicht berücksichtigt. Bortkiewicz selbst stützte sich auf Arbeiten des russischen Ökonomen Dmitriev (1898), der damit begonnen hatte, die Theorie Ricardos zu formalisieren.

[7]) Man kann sogar Fälle konstruieren, in denen sich die beiden Profitraten gegenläufig entwickeln, da gezeigt werden kann daß die Luxusgüterindustrie keinen Einfluß auf die Preisprofitrate hat.

[8]) Insbesondere aufgrund der Darstellung in Sweezys erstmals 1942 erschienener, weit verbreiteter "Theorie der kapitalistischen Entwicklung".

[9]) Im Vorwort heißt es dazu: " Ein Wesenszug der im folgenden veröffentlichten Sätze ist es indes, daß sie obgleich in keinerlei Diskussion zur Marginal-Theorie von Wert und Verteilung eingreifend, nichtsdestoweniger in der Absicht konzipiert wurden, als Grundlage für eine Kritik dieser Theorie zu dienen." (Sraffa 1960, S.16)

[10]) Von fixem Kapital und unterschiedlichen Umschlagszeiten wird abstrahiert.

[11]) Meine Darstellung weicht insofern von Sraffas Behandlung ab, als ich die Lohngüter zum Kapitalvorschuß rechne, während Sraffa Lohn und Profit aus dem durch die Technologie bestimmten Nettoprodukt verteilt. Diese Abweichung ändert nichts am zugrundeliegenden Argument, erleichtert aber später die Diskussion des Transformationsproblems.

[12]) Diese Kritik der Neoklassik wurde im Anschluß an Sraffa formuliert und führte zu einer lebhaften Debatte zwischen Neoricardianern und Neoklassikern. Eine neuere Replik von Seiten der Neoklassik lieferte Hahn (1982), der sich mit den wesentlichen Beiträgen dieser Diskussion auseinandersetzt.

[13]) Auch die oben dargestellte Transformationsmethode von Bortkiewicz führt nur scheinbar von einem Wertsystem zu einem Preissystem. Wesentlich ist nämlich auch dort, das durch das Wertschema ausgedrückte Reproduktionssystem. Die dort vorhandenen Werte sind nichts anderes als Indikatoren für die entsprechenden Mengen an Produktionsmitteln und Lohngütern. Bortkiewiecz hatte auch selbst erkannt, daß sich das Produktionspreissystem ohne Kenntnis eines Wertsystems berechnen läßt (Bortkiewicz 1906/7, S.146).

[14]) Unter Kuppelproduktion versteht man Produktionsprozesse die gleichzeitig mehr als ein Produkt liefern, wie z.B. die Schafzucht (Wolle und Fleisch) oder viele Prozesse in der chemischen Industrie.

[15]) Das Auftreten von negativen Wertgrößen bei Kuppelproduktion und Versuche dies zu vermeiden, führten zu einer ausgedehnten Diskussion, die sich aber mehr durch die Einführung weiterer mathematischer Techniken wie etwa der linearen Optimierung (Morishima/Catephores, 1978) als durch ökonomische Substanz auszeichnete.

[16]) "It can scarcely be overemphasized that the project of providing a materialist account of capitalist societies is dependent on Marx's value magnitude analysis only in the negative sense that continued adherence to the latter is a major fetter on the development of the former" (Steedman 1977, S.207). Zwar hatten auch schon früher Autoren, die Marx mehr oder weniger wohlgesonnen waren, die Auffassung vertreten, die wesentlichen Aussagen von Marx könnten auch unter Verzicht auf die Arbeitswerttheorie formuliert werden (Robinson 1942, S.24), doch nun versuchen marxistische Ökonomen durch eine Argumentation, die die Strenge eines mathematischen Beweises beansprucht, die Arbeitswerttheorie aus der Marxschen Ökonomie zu eliminieren.

[17]) Mit der Wertsubstanz wurde aber nicht immer die Werttheorie abgelehnt, so etwa bei Krause (1977), auf den wir noch zu sprechen kommen.

[18]) Daran ändert sich auch nichts, wenn man berücksichtigt, daß die Marxsche Transformationsmethode als erster Schritt eines Iterationsverfahrens aufgefaßt werden kann: man kann die von Marx berechneten Produktionspreise als erste Annäherung auffassen und den Mehrwert erneut umverteilen, wodurch sich neue Produktionspreise ergeben usw. Die sich daraus ergebenden Folgen von Produktionspreisen und Profitraten konvergieren gegen diejenigen Zahlenwerte, die man auch bei dem üblichen Verfahren erhält. Shaikh (1977) sieht dadurch die Verbindung von Wert- und Preisebene gewährleistet. Allerdings muß diese Iteration (bei einem gegebenen stofflichen Reproduktionssystem) nicht mit den Arbeitswerten starten, sie kann auch mit beliebigen Phantasiewerten begonnen werden und führt trotzdem zu den korrekten Produktionspreisen, so daß sich auch bei diesem Verfahren die Unabhängigkeit der Berechnung der Produktionspreise von der Kenntnis der Wertstruktur zeigt.

[19]) Statt dieser Normierung benutzt Foley den "value of money", den er als Quotienten von aggregierter direkter Arbeitszeit (die er mit dem neugeschaffenen Wertprodukt identifiziert) und Preis des Nettoprodukts bestimmt. Dieser "value of money" ist nicht identisch mit dem Wert einer eventuell vorhandenen Geldware sondern drückt den durchschnittlichen Arbeitswert einer Preiseinheit des Nettoprodukts aus. Zwar ist für die einzelne Ware das Produkt aus Preis und value of money von ihrem Wert verschieden, doch das Produkt aus den aggregierten Geldlöhnen mit dem value of money ist gleich der bezahlten Arbeit und das Produkt aus den aggregierten Profiten und dem value of money ist gleich der unbezahlten Arbeit.

[20]) Ein im wesentlichen ähnlicher Ansatz wurde von Roberts (1987) präsentiert. Mit dem Argument, daß Werte und Preise nicht unabhängig voneinander bestimmt werden könnten, sowie einigen Zitaten aus den "Theorien über den Mehrwert" plädiert er außerdem dafür, auch im Wertsystem die Produktionsmittelinputs zu Produktionspreisen zu berechnen, so daß dann sogar die Wertsumme gleich der Preissumme ist.

[21]) Eine Relation R auf einer Menge M ist eine Äquivalenzrelation falls für alle Elemente a,b von M gilt: aRa (Reflexivität), aus aRb folgt bRa (Symmetrie), aus aRb und bRc folgt aRc (Transitivität).

[22]) Allerdings läßt sich die Frage nach dem "Wert" einer einzelnen Ware auch im Rahmen von Krauses Relationenlogik formulieren. Falls nämlich die Wertrelation eine Äquivalenzrelation ist (und nur dann) definiert sie auf der Menge der Waren eine Klasseneinteilung. Die Frage nach dem Wert der einzelnen Ware ist dann die Frage, ob der kanonischen Surjektion von der Menge der Waren auf die Menge der Äquivalenzklassen eine ökonomische Eigenschaft der Waren zugrundeliegt, nämlich ihr "Wert".

[23]) Krauses formale über Relationen definierte Einführung von Geld führt zur Möglichkeit von Warentausch ohne, mit einer oder mit mehreren Geldwaren, im Extremfall kann sogar jede Ware Geldware sein.

[24]) Die Matrix der physischen Inputs und der Arbeitsmengen reicht jetzt nicht mehr aus um die Werte eindeutig festzulegen, da es sich um n Gleichungen (für n Produkte) aber um 2n Unbekannte (n Werte und n Reduktionskoeffizienten) handelt.

[25]) Wie flexibel dieses System ist, kann man aus der von Krause formulierten "Standardreduktion" ersehen. Er hebt selbst hervor, daß sie keineswegs zwingend ist, ihm selbst erscheint sie aber plausibel. Diese Standardreduktion führt nicht nur zu der geforderten Proportionalität von Werten und Preisen sondern auch zu einer gleichen organischen Zusammensetzung in allen Sphären (Krause 1979b, S.156f).

[26]) Dabei geht es ihnen ausdrücklich nicht um monopolistische Schranken, sondern um "vollkommene Konkurrenz", die aber auch technischen Fortschritt etc einschließt, Momente die Profitratenunterschiede hervorrufen können.

[27]) Während die Zufallswerte bei den Normalverteilungen um einen Mittelwert konzentriert und die Abweichungen von diesem Mittelwert symmetrisch sind, sind bei einer Gammaverteilung die Werte um einen vom Mittelwert verschiedenen Wert konzentriert, so daß auch die entsprechende Kurve nicht mehr symmetrisch ist. Für die Profitrate schlagen Machover/Farjoun eine Verteilung vor, bei der vernachlässigbar wenig Kapitale eine negative Profitrate erzielen und der Bereich, in dem die Profitraten der relativ meisten Kapitale konzentriert sind, etwas unterhalb der rechnerischen Durchschnittsprofitrate liegt.

[28]) Daher läßt sich die Marxsche Werttheorie auch nicht "beweisen", da Beweise nur innerhalb eines bereits gegebenen Paradigmas möglich sind: was als Beweis akzeptiert wird, hängt selbst vom jeweiligen Paradigma ab.

[29]) In "Zur Kritik der politischen Ökonomie" wirft Marx Smith daher vor, daß er "die objektive Gleichung, die der Gesellschaftsprozeß gewaltsam zwischen den ungleichen Arbeiten vollzieht, für die subjektive Gleichberechtigung der individuellen Arbeiten" (MEW 13, S.45) hält.

[30]) Dies wird im ersten Kapitel des "Kapital" allerdings weniger deutlich als in "Zur Kritik der politischen Ökonomie", wo sich auch der umstrittene Rekurs auf das "gemeinsame Dritte" nicht findet.

[31]) In die deutsche Diskussion wurde dieser Begriff von Backhaus (1974, 1975) eingeführt, der die Marxsche Werttheorie als Kritik prämonetärer Werttheorie verstanden wissen wollte. Im angelsächsischen Raum wurden ähnliche Konzepte (allerdings mit erheblichen Unterschieden bei den einzelnen Autoren) vor allem in Auseinandersetzung mit der lange vorherrschenden von Sweezy, Dobb und Meek repräsentierten Auffassung einer "embodied labour theory of value", d.h. einer Auffassung die Wert wesentlich produktionsseitig durch die verausgabte Arbeitsmenge bestimmt, vertreten (Himmelweit/Mohun 1978, 1981, Elson 1979, Eldred/Hanlon 1981, Mohun 1984). Im Anschluß an bestimmte Konzepte Agliettas wurden Ansätze einer monetären Werttheorie auch von DeVroey (1981,1982) vorgelegt, an die in jüngster Zeit Stanger (1988) anknüpfte.

[32]) Dies wird von Marx in "Zur Kritik..." deutlicher gemacht als im "Kapital": "Die gesellschaftliche Arbeitszeit existiert sozusagen nur latent in diesen Waren und offenbart sich erst in ihrem Austauschprozeß. (...) Die allgemein gesellschaftliche Arbeit ist daher nicht fertige Voraussetzung, sondern werdendes Resultat." (MEW 13, S.31f)

[33]) Ricardo kannte auch den allgemeinen Fall, daß das Wertverhältnis der Waren vom Verhältnis der respektiven Arbeitsmengen abweichen muß um eine für beide Produzenten gleiche Profitrate zu ermöglichen. Es kam ihm allerdings darauf an zu zeigen, daß im Gegensatz zu der allgemeinen auf Smith zurückgehenden Auffassung, Lohnerhöhungen müßten zu Erhöhungen des Preises führen, sich der Preis bestimmter Waren aufgrund von Lohnerhöhungen auch senken könnte. Dann nämlich wenn aufgrund der allgemeinen Lohnerhöhung die Durchschnittsprofitrate fällt und bei Kapitalien die sehr wenig direkte Arbeit anwenden, die Lohnerhöhung durch die gesunkene Profitrate überkompensiert wird.

[34]) Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem geld- und kapitaltheoretischen Erklärungswert der Werttheorie findet sich bei Stanger (1988, Kap.2)

[35]) Auch hier gibt es Probleme in der Marxschen Darstellung, die in der gängigen, quantitativ orientierten Transformationsdebatte meistens ausgeblendet bleiben. Im 10.Kapitel des dritten Bandes des "Kapital" stellt Marx die doppelte Bewegung der Konkurrenz innerhalb der Sphären und zwischen ihnen als den Mechanismus dar, der die Verwandlung von Werten in Produktionspreise bewirkt. Die Konkurrenz der Kapitalisten geht aber nie von einem Wertsystem aus sondern immer schon von einem gegebenen Preissystem. Die Konkurrenz der einzelnen Kapitalisten kann daher nicht den Übergang von Werten zu Produktionspreisen erklären, sondern nur von einem "deformierten" Produktionspreissystem zu einem das wieder für jede Branche annähernd die selbe Profitrate hervorbringt. Der Übergang von Werten zu Preisen ist aber auch keiner der eine solche Erklärung verlangen würde, da es sich um einen begrifflichen Übergang und nicht um eine Zustandsänderung in der realen Zeit handelt.

[36]) Daß Marx selbst in zuweilen dubioser Weise von solch einem Wertsystem ausgeht, zeigt sich nicht nur bei seinem Versuch einer quantitativen Wert-Preis Transformation sondern auch in seiner Theorie der absoluten Rente.

[37]) Die uneingestandenen Voraussetzungen der Neoricardianer untersuchte Ganßmann (1981).

[38]) Wem die Auffassung von Werten als prinzipiell nicht empirischen Größen zu metaphysisch ist (so verlangte etwa Eberle (1979), daß die Wert-Preis Transformation in empirisch zu überprüfenden Aussagen münden müsse) sei auf das Beispiel der Physik verwiesen: weder das Potential eines klassischen Feldes und erst recht nicht die Wellenfunktion eines quantenmechanischen Objekts sind meßbare Größen, sondern rein theoretische Konzepte. Hätte sich die Physik nur auf beobachtbare Größen beschränkt, wäre sie nicht sehr weit gekommen.