Michael Heinrich
Was ist die Werttheorie noch wert
?
Zur neueren Debatte um das
Transformationsproblem und die Marxsche Werttheorie.
(in: PROKLA 72, 18.
Jg., Nr. 3, September 1988, S.15-38)
Zusammenfassung: Die Diskussion des
Transformationsproblems und des neoricardianischen Ansatzes von Piero Sraffa,
veranlaßten viele marxistisch orientierte Ökonomen dazu, von der Marxschen
Werttheorie Abstand zu nehmen. Im vorliegenden Aufsatz werden die quantitativen
Modelle der Neoricardianer einer grundsätzlichen Kritik unterzogen; es wird
dagegen für eine qualitative Fassung des Wert-Preis Zusammenhangs plädiert. Die
Marxsche Werttheorie wird dabei als "monetäre Werttheorie" aufgefaßt,
die allerdings nicht als fertig unterstellt werden kann, sondern ihre
Feuerprobe in der Entwicklung einer adäquaten Geld- und Kredittheorie erst noch
zu bestehen hat.
Einleitung
Marx betrachtete die
Werttheorie als unverzichtbare Grundlage seiner Kritik der politischen Ökonomie.
In der Folge galt sie unter Marxisten aber nicht nur als Voraussetzung für die
Mehrwerttheorie und damit für das Verständnis des zentralen Funktionsmechanismus
der kapitalistischen Ökonomie; sie wurde zugleich als Grundlage einer Analyse
der spezifischen Art und Weise bürgerlicher Vergesellschaftung wie auch der
ideologischen Formen, in denen diese Vergesellschaftung reflektiert wird,
begriffen. Die Marxsche Werttheorie galt daher nicht nur als ökonomische
Theorie im engeren Sinne, sondern als Fundament einer die traditionellen Fächergrenzen
sprengenden ökonomischen, soziologischen und ideologiekritischen Analyse der bürgerlichen
Gesellschaft.
Dem zentralen Stellenwert der
Werttheorie entsprechend konzentrierten sich die Angriffe bürgerlicher Ökonomen
daher auch auf sie. Besonders hervorzuheben ist dabei die Arbeit von
Böhm-Bawerk (1896), der nicht nur einen "Widerspruch" zwischen der
Werttheorie des ersten und der Theorie der Produktionspreise im dritten Band
konstatierte, sondern sich auch bemühte, nachzuweisen, daß der Marxsche Schluß
auf (abstrakte) Arbeit als gemeinsame Wertsubstanz der Waren lediglich
"dialektischer Hokuspokus" sei. Schließlich hatte die bürgerliche
Ökonomie aber auch solche sich noch detailliert auf den Marxschen Text
einlassende Kritik nicht mehr nötig. Mit dem gegen Ende des letzten Jahrhunderts
einsetzenden Paradigmenwechsel erhielt die politische Ökonomie nicht nur ihre
mathematischen Weihen; mit dem Marginalismus verabschiedete sie sich von jeder
Form der Arbeitswerttheorie, die von nun an bestenfalls als vorwissenschaftlich
galt. Erst mit Marshall und Walras schien die politische Ökonomie zur wirklichen
Wissenschaft geworden zu sein. Marx wie auch der bürgerlichen Klassik wurden
allenfalls mit gönnerhafter Attitüde die mehr oder weniger klare Andeutung
mancher moderner Resultate zugebilligt. Da die Kritik an der Werttheorie von
nun an in bloß pauschaler Ablehnung bestand, ließ es sich für Marxisten leicht
mit solcher Kritik leben, sahen sie doch auf der anderen Seite in der bürgerlichen
Mainstream-Ökonomie nur die Fortsetzung der schon von Marx kritisierten
Vulgärökonomie.
In den letzten 15 oder 20
Jahren hat sich die Situation allerdings grundlegend geändert. Seither ist die
Marxsche Werttheorie auch unter eher marxistisch orientierten Ökonomen umstritten.
Verantwortlich dafür ist die (wieder aufgeflammte) Debatte um das sogenannte
"Transformationsproblem". Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein
Spezialproblem für mathematisch Interessierte, wie man aufgrund mancher
Diskussionsbeiträge vielleicht meinen könnte. Das Transformationsproblem
veranlaßte nicht nur Versuche, die Arbeitswerttheorie aus der marxistischen
Ökonomie herauszuschneiden. Es dient Kritikern auch als Beleg dafür, daß die
Kritik der politischen Ökonomie mit ihrem eigenen Theorieprogramm gescheitert
ist. Bei der Auseinandersetzung um dieses Problem geht es daher um Status und
Geltung der Werttheorie als solcher und damit um Charakter des gesamten
Projektes "Kritik der politischen Ökonomie". Beruft man sich also
heute auf dieses Projekt, so kann man das Transformationsproblem nicht einfach
ignorieren (oder es in der Reihe der noch zu lösenden Probleme ablegen, was auf
dasselbe hinauskommt).
Im vorliegenden Aufsatz wird
nicht der Versuch unternommen, zu den vielen ausgeklügelten quantitativen
Lösungen noch eine weitere hinzuzufügen. Vielmehr geht es gerade um eine Kritik
solcher Modelle. Faßt man den Zusammenhang von Werten und Produktionspreisen
aber qualitativ auf, so kann man auch an anderen Stellen nicht ohne weiteres
auf quantitative Wertbestimmungen rekurrieren.
1. Die Marxsche Transformation von
Werten in Produktionspreise
In den beiden ersten Bänden des
"Kapital" unterstellt Marx, daß Waren zu ihren Werten getauscht
werden, wobei die Wertgröße einer Ware durch die zu ihrer Produktion erforderliche
"gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" (MEW 23, S.52) bestimmt
ist. Diese Voraussetzung behält er zunächst auch noch im dritten Band bei, wenn
er den Profit im Unterschied zum Mehrwert darstellt. Bei der folgenden
Untersuchung der "Verwandlung des Profits in Durchschnittsprofit"
geht er zunächst von einer für alle Kapitale gleichen Mehrwertrate aber einer
für die einzelnen Branchen unterschiedlichen organischen Zusammensetzung aus.
Die Verwandlung von Mehrwert in Profit liefert dann für die einzelnen Branchen
unterschiedliche Profitraten, was der Anschauung, die einen tendenziellen Ausgleich
der Profitraten, d.h. die Existenz einer "allgemeinen Profitrate"
zeigt, widerspricht ([1]). Da die Ungleichheit der Profitraten unter der Voraussetzung, daß die Waren
zu ihren Werten getauscht werden, entwickelt wurde, folgert Marx:
"Es scheint also, daß die
Wertheorie hier unvereinbar ist mit der wirklichen Bewegung, unvereinbar mit
den tatsächlichen Erscheinungen der Produktion und daß daher überhaupt darauf
verzichtet werden muß, die letztren zu begreifen." (MEW 25, S.162)
Marx unternimmt nun den
Versuch, die empirische Gleichheit der Profitraten auf der Grundlage der
Werttheorie zu erklären ([2]). Da der Tausch zu Werten mit der Existenz einer allgemeinen Profitrate
unvereinbar ist, müssen die Waren zu Durchschnittspreisen, die von den Werten abweichen
([3]), getauscht werden. Der Durchschnittspreis muß sich aus dem
"Kostpreis" (d.h. dem was die Ware den Kapitalisten kostet) und einem
Profitanteil, der dem eingesetzten Kapital proportional ist, zusammensetzen.
Diesen vom Wert abweichenden Durchschnittspreis nennt Marx Produktionspreis.
Während sich die Mehrwertmasse, die ein Kapital produziert, als Produkt aus
Mehrwertrate und der Größe des variablen Kapitals ergibt, ist die Profitmasse
gleich dem Produkt aus allgemeiner Profitrate und Kapitalgröße ([4]). Marx steht nun vor dem Problem, die Höhe der allgemeinen Profitrate
sowie die Produktionspreise ausgehend von den Wertverhältnissen zu bestimmen.
Dies unternimmt er im 9.Kapitel des dritten Bandes indem er die allgemeine Profitrate
des Preissystems als (gewichteten) Durchschnitt der differierenden Branchenprofitraten
des Wertsystems, oder was dasselbe ist als Verhältnis des gesamten Mehrwerts
zum gesamten Kapital der Gesellschaft auffaßt. Die Produktionspreise bestimmt
er dann als Summe aus den jeweiligen Kostpreisen und dem Produkt aus Durchschnittsprofitrate
und Kapitalgröße, wobei allerdings Kostpreis und Kapitalgröße zu Werten berechnet
werden. Die Verwandlung von Werten in Produktionspreise läuft also auf eine
Umverteilung des Mehrwerts innerhalb der Kapitalistenklasse hinaus: die
einzelnen Kapitalisten eignen sich nicht mehr den Mehrwert an, der im unmittelbaren
Produktionsprozeß von den von ihnen beschäftigten Arbeitern produziert wurde,
sondern aus der Masse des von der gesamten Arbeiterklasse produzierten
Mehrwerts erhalten sie einen Anteil, der dem Anteil ihres Kapitals am
gesellschaftlichen Gesamtkapital entspricht.
Indem Marx von Wertgrößen
ausgeht, über Wertprofitraten der einzelnen Branchen zur Preisprofitrate und
von da zu Produktionspreisen kommt, glaubt er, daß er das Problem, Produktionspreis
und allgemeine Profitrate auf der Grundlage der Werttheorie zu entwickeln,
gelöst hat ([5]). Seine Lösung beruht wesentlich auf der Voraussetzung, daß die
durchschnittliche Profitrate des Wertsystems und die allgemeine Profitrate des
Preissystems quantitativ gleich sind. Diese Durchschnittsprofitrate ist dann
die entscheidende Brücke zwischen dem Wert- und dem Preissystem, die den
Übergang zwischen beiden erlaubt.
Zwar weichen bei der einzelnen
Ware Wert und Produktionspreis und bei den einzelnen Kapitalien Mehrwert- und
Profitmasse voneinander ab; da sich die Produktionspreise bei der von Marx
angegebenen Transformation aber durch die bloße Umverteilung des Mehrwerts zwischen
den einzelnen Kapitalien ergaben, ist nicht nur die Summe der Mehrwerte gleich
der Summe der Profite, sondern auch die Summe der Werte gleich der Summe der
Produktionspreise (MEW 25, S.169, 182). Aufgrund dieser beiden Identitäten
glaubte Marx, daß er bei gesamtgesellschaftlicher Aggregation, etwa bei der
Untersuchung der Bewegung der Durchschnittsprofitrate, nach wie vor von Wertgrößen
ausgehen könnte.
Die Marxsche Transformation von
Werten in Produktionspreise besitzt allerdings einen quantitativen Defekt. Da
die Kostpreise (und die Kapitalgrößen) in Werten berechnet werden, ist eigentlich
unterstellt, daß sowohl die Kapitalisten ihre Produktionsmittel als auch die
Arbeiter ihre Lebensmittel nicht zu Produktionspreisen, sondern zu Werten
kaufen. Dieser Fehler wurde auch von Marx erkannt, in seiner Auswirkung
allerdings gewaltig unterschätzt:
"Da der Produktionspreis
abweichen kann vom Wert der Ware, so kann auch der Kostpreis einer Ware, worin
dieser Produktionspreis andrer Ware eingeschlossen, über oder unter dem Teil ihres
Gesamtwerts stehn, der durch den Wert der in sie eingehenden Produktionsmittel
gebildet wird. Es ist nötig sich an diese modifizierte Bedeutung des
Kostpreises zu erinnern und sich daher zu erinnern, daß ... stets ein Irrtum
möglich ist. Für unsre gegenwärtige Untersuchung ist nicht nötig näher auf
diesen Punkt einzugehn." (MEW 25, S.174)
Wird aber die Voraussetzung,
daß Kostpreise und Kapitalgrößen zu Werten berechnet werden können, fallen gelassen,
so ist der Marxsche Transformationsalgorithmus nicht mehr durchführbar: die
Produktionspreise können nicht mehr dadurch bestimmt werden, daß der Durchschnittsprofit
einfach auf die zu Werten berechneten Kostpreise aufgeschlagen wird, denn jeder
Kostpreis besteht aus einer Summe von Produktionspreisen, die zuvor berechnet
sein müßten. Durchschnittsprofitrate und Produktionspreise lassen sich
anscheinend nicht nacheinander sondern nur gleichzeitig bestimmen. Dann kann
aber nicht mehr wie selbstverständlich davon ausgegangen werden, daß die
Durchschnittsprofitrate des Wertsystems mit der des Preissystems übereinstimmt.
2. Die "Korrektur" durch
v.Bortkiewicz
Marx versuchte aus einem
beliebigen Wertschema und einer Verteilungsregel (der Mehrwertrate) die allgemeine
Profitrate und die Produktionspreise zu bestimmen. Sein Verfahren führte zu falschen
Ergebnissen, da er die Kostpreise nicht mittransformierte. Dies war ihm aber
gar nicht möglich, da sein Wertschema keine Angaben über die
Reproduktionsstruktur enthielt.
Ladislaus von Bortkiewicz war
der erste ([6]), der die Relevanz der fehlerhaften Marxschen Transformationsmethode
erkannte und einen "korrekten" Algorithmus angeben konnte (Bortkiewicz,
1907). Dazu zerlegte er die gesamte Produktion in drei Sektoren, die
Produktionsmittel, Lohngüter und Luxusgüter produzieren sollten. Bei einfacher
Reproduktion mußte dann für die Wertstruktur gelten (wenn c das konstante
Kapital, v das variable Kapital und m den Mehrwert des jeweiligen Sektors
bezeichnet):
c1 + v1 + m1 = c1 + c2
+ c3
c2 + v2 + m2 = v1 + v2
+ v3
c3 + v3 + m3 = m1 + m2
+ m3
Aus diesem Wertsystem sind nun
die Produktionspreise für die drei Güter sowie die allgemeine Profitrate zu
bestimmen. Sind x,y und z die (gesuchten) Faktoren, mit denen man die Werte von
Produktionsmitteln, Lohngütern und Luxusgütern multiplizieren muß, um ihre
Produktionspreise zu erhalten und ist r die gesuchte Profitrate, so muß
folgendes Gleichungssystem gelten:
( c1x + v1y
) ( 1 + r ) = ( c1 + c2 + c3 ) x
( c2x + v2y
) ( 1 + r ) = ( v1 + v2 + v3 ) y
( c3x + v3y
) ( 1 + r ) = ( m1 + m2 + m3 ) z
Da es sich um vier Unbekannte
(x,y,z und r) handelt, aber nur 3 Bestimmungsgleichungen vorhanden sind, muß
für eine eindeutige Lösung eine zusätzliche Gleichung angegeben werden. Setzt
man beispielsweise z=1, so fallen für die Luxusgüter Wert und Produktionspreis
zusammen und da bei einfacher Reproduktion die Summe der Mehrwerte (bzw.
Profite) gleich dem Wert (bzw. Preis) des Outputs der Luxusgüterindustrie ist,
sind in diesem Fall auch Mehrwertmasse und Profitmasse gleich. Bis auf
Spezialfälle, wie z.B. einer in allen Abteilungen gleichen organischen
Kapitalzusammensetzung, wird dann aber die Summe der Produktionspreise von der
Summe der Werte abweichen. Wählt man anstelle von z=1 als Zusatzgleichung
õk (ck + vk + mk) = õk
(ckx + vky + mkz)
so ist zwar die Summe der Werte
gleich der Summe der Produktionspreise, in der Regel wird nun aber nicht mehr
z=1 gelten, so daß die Summe der Mehrwerte von der Summe der Profite abweicht.
Da die beiden von Marx angenommenen Identitäten außer in Spezialfällen nicht gegeben
sind, unterscheidet sich im allgemeinen auch die Durchschnittsprofitrate des
Preissystems von der "Wertprofitrate", d.h. der durchschnittlichen
Profitrate des Wertsystems, dem Verhältnis von Gesamtmehrwert zu Gesamtprofit.
Akzeptiert man die Transformationsmethode von Bortkiewicz, so sind damit alle
Folgerungen, die Marx aufgrund dieser beiden Identitäten über das Preissystem
zog, in Frage gestellt. So ging er beispielsweise bei seiner Begründung für das
Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate vom Verhältnis Gesamtmehrwert zu
Gesamtkapital, also der Wertprofitrate, aus. Da Wertprofitrate und Preisprofitrate
voneinander abweichen, folgt aus dem Fallen der Wertprofitrate keineswegs daß
auch die Preisprofitrate fällt ([7]). Wenn somit auch gewisse weitergehende Folgerungen von Marx in Frage
gestellt werden, scheint aber durch das von Bortkiewicz eingeführte Verfahren
zumindest gezeigt zu sein, daß sich aus dem Wertsystem das Preissystem korrekt
herleiten läßt. Jahrzehnte hindurch wurde die von Bortkiewicz korrigierte
Transformation in dieser Weise interpretiert ([8]) und formal weiterentwickelt (Winternitz 1948, Seton 1957) so daß sie
schließlich nicht nur auf drei sondern auf beliebig viele Produktionssphären
anwendbar wurde.
3. Sraffa und die Folgen
Im Jahre 1960 erschien Piero
Sraffas kurze, aber sehr einflussreiche Studie "Warenproduktion mittels
Waren". Der Untertitel "Einleitung zu einer Kritik der ökonomischen
Theorie", deutet den eigentlichen Zweck dieser Schrift, die theoretische
Basis für eine Kritik der marginalistischen Theorie bereitzustellen, lediglich
an ([9]). Insofern Sraffa nicht Grenzprodukte zu seinem Ausgangspunkt machte,
sondern Eigenschaften des ökonomischen Systems, die von Veränderungen des
Produktionsumfanges und der Faktorproportionen unabhängig sind, stellte er
sich, wie er selbst formulierte, auf den Standpunkt der Klassik. Da sich viele
seiner Argumente als Formalisierung ricardianischer Konzepte auffassen lassen,
hat sich für den von Sraffa entwickelten Ansatz die Bezeichnung
"neoricardianisch" eingebürgert.
Sraffa betrachtet ein
ökonomisches System, das aus n verschiedenen Produktionszweigen besteht, in
denen jeweils ein Produkt hergestellt wird. Zur Produktion eines Gutes sind bestimmte
Mengen von Produktionsmittel und Arbeitszeit erforderlich. Diese Mengen lassen
sich durch einen Vektor (ai1, ai2, ..., ain, Li)
beschreiben: zur Produktion einer Einheit des Produktes i ist die Menge ai1
des Produkts 1, die Menge ai2 des Produkts 2 etc. und die direkt aufgewendete
Arbeitszeit Li erforderlich, wobei einige der Koeffizienten a auch
den Wert Null annehmen können. Wird die Arbeitskraft mit einem Lohnsatz w pro
Arbeitsstunde bezahlt und sollen die Produkte zu Preisen pi (pi
ist der Preis einer Mengeneinheit des Produktes i) verkauft werden, die es ermöglichen,
daß die einzelnen Kapitale eine gleiche Profitrate r auf ihren Kapitalvorschuß
([10]) erzielen, so muß folgendes Gleichungssystem erfüllt sein:
( a11p1 + a12p2 + ...
+ a1npn + L1w ) (1 + r) = p1
( a21p1 + a22p2 + ...
+ a2npn + L2w ) (1 + r) = p2
... (A)
...
( an1p1 + an2p2 + ...
+ annpn + Lnw ) (1 + r) = pn
Gibt man nun den Lohnsatz durch
ein Konsumgüterbündel vor, also
w = b1p1 + b2p2 + ...
+ bnpn
(wobei verschiedene b auch Null
sein können), so besteht das System (A) aus n Gleichungen mit n+1 Variablen
(den n Preisen und der Profitrate r). Durchschnittsprofitrate und Preise der
einzelnen Produkte (und damit auch der Preis des vorgeschossenen Kapitals) werden
also simultan durch das System (A) und die Gleichung für den Lohnsatz bestimmt
([11]).
Während die marginalistischen
Theorien davon ausgehen, daß die verschiedenen Produktionsfaktoren (Kapital,
Arbeit und Boden) im Gleichgewicht entsprechend ihren Beiträgen zur Produktion
entlohnt werden, zeigt Sraffas Darstellung, daß dieser Beitrag nicht ohne
weiteres zu messen ist. Das gemeinsame Maß für die physisch heterogenen
Kapitalgüter ist ihr Preis. Preise können aber, soll eine für alle Kapitale
gleiche Profitrate erzielt werden, nicht unabhängig und vor dieser Profitrate
berechnet werden. Die Profitrate hängt aber vom Lohngüterbündel, und das heißt
vom (noch nicht in Preisen ausgedrückten) Verteilungsverhältnis des
Nettoprodukts zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse ab. Das Preissystem, in
dem sich die "Beiträge der Produktionsfaktoren", die in den marginalistischen
Theorien eine bestimmte Verteilung erst erklären (und damit auch innerhalb des
marktwirtschaftlichen Systems rechtfertigen) sollten, messen lassen, ergibt
sich also erst aufgrund dieser Verteilung, die somit bereits vorausgesetzt ist
([12]).
Es dauerte nicht lange bis die
linearen Modelle der Neoricardianer zur Formalisierung der Marxschen Theorie benutzt
wurden. Die oben eingeführten Vektoren kann man auch zur Berechnung von
Arbeitswerten verwenden, wenn man annimmt, daß die aufgewendeten Arbeitsmengen
Li in gleichem Maße wertbildend sind, daß es sich also um homogene
Arbeit handelt. Ist ui der Wert einer Mengeneinheit des Produktes i,
gemessen in Arbeitsstunden, so muß folgendes Gleichungssystem erfüllt sein:
a11u1 + a12u2 + ... +
a1nun + L1 = u1
a21u1 + a22u2 + ... +
a2nun + L2 = u2
... (B)
...
an1u1 + an2u2 + ... +
annun + Ln = un
Es schien, als sei es nun
endlich möglich, die Marxsche Wert- und Preistheorie auf der "Höhe der
Zeit" (was heutzutage meistens heißt mit den vorhandenen mathematischen
Methoden) zu reformulieren. Bereits 1963 verfaßte Okishio einen
"mathematischen Kommentar zu Marxschen Theoremen" (Okishio, 1963),
und Morishima stellte schließlich die gesamte Marxsche Ökonomie aus dieser
Perspektive dar (Morishima, 1973). Anscheinend war erst jetzt eine qualifizierte
Diskussion der Marxschen Aussagen möglich geworden. Einige Sätze wurden
mathematisch bewiesen, wie etwa das sogenannte "Fundamentaltheorem",
das besagt, daß die Durchschnittsprofitrate genau dann positiv ist wenn die
Mehrwertrate positiv ist (Morishima/Seton, 1961), was als Bestätigung der
Marxschen Auffassung vom Profit als Erscheinungsform des Mehrwerts aufgefaßt wurde.
Andere Sätze wie beispielsweise das Gesetz vom tendenziellen Fall der
Profitrate wurden widerlegt (Okishio, 1961). Und bei der Diskussion der
Wert-Preis Transformation wurde zwar das Ergebnis von Bortkiewiecz bestätigt,
daß bei einfacher Reproduktion die beiden Marxschen Identitäten (Mehrwertsumme
gleich Profitsumme und Wertsumme gleich Preissumme) im allgemeinen nicht
gleichzeitig gelten. Dagegen sind sie bei gleichgewichtiger erweiterter Reproduktion,
sofern der gesamte Mehrwert bei gleichbleibenden technischen Bedingungen akkummuliert
wird, erfüllt (Morishima 1973, Kap.7), was allerdings nur einen Spezialfall
darstellt.
Die linearen Modelle der
Neoricardianer wurden aber auch bald zu einer Kritik an der Marxschen
Werttheorie benutzt. So wurde von Samuelson das Transformationsproblem aufgegriffen
und darauf hingewiesen, daß die Kenntnis von Werten und Mehrwertraten zur Bestimmung
von Produktionspreisen und Durchschnittsprofitrate überflüssig sei (Samuelson,
1971). Eine neue Stufe erreichte die Debatte als nicht nur Kritiker, sondern
auch ursprünglich marxistisch orientierte Ökonomen begannen, die Marxsche
Arbeitswerttheorie abzulehnen. Besonders prägnant wurde diese Position von
Steedman (1977) in seinem Buch "Marx after Sraffa" präsentiert.
Steedman argumentierte, das grundlegende System sei das der physischen Mengen
von Produktionsmitteln und Arbeitszeiten, die zur Produktion der einzelnen
Güter benötigt werden. Von diesem System aus könne man zu Werten gelangen (wie
oben im System (B) ) oder unter Berücksichtigung eines Lohnsatzes zu
Produktionspreisen und zur Durchschnittsprofitrate (wie oben im System (A)).
Versucht man dagegen wie Marx vom Wertsystem ausgehend zur Durchschittsprofitrate
und zum Produktionspreissystem zu gelangen, so führt jede korrekte Rechnung
zunächst zum System der physischen Mengen zurück und erst von da aus zum
Preissystem. Da man aber von diesem Mengensystem ausgehen mußte, um überhaupt
Werte berechnen zu können, erweist sich die Betrachtung von Werten als
unnötiger Umweg, wenn man Produktionspreise berechnen will ([13]). Steedman zog daraus den Schluß, daß das Wertsystem
"redundant", d.h. schlichtweg überflüssig ist. Seine Kritik ging aber
noch weiter. Läßt man nämlich die eingangs gemachte Voraussetzung, daß in jedem
Produktionszweig nur eine Produktenart hergestellt wird, fallen und geht zur
Betrachtung von Kuppelproduktion ([14]) über, so ergeben sich in bestimmten Konstellationen negative
Wertgrößen, die ökonomisch sinnlos sind ([15]). In diesen Fällen sei die Werttheorie nicht nur redundant sondern auch
inkonsistent. Steedman kam daher zu dem Ergebnis, daß die Arbeitswerttheorie
für eine materialistische Gesellschaftsanalyse nicht zu gebrauchen sei ([16]). Allerdings lehnte er die Marxsche Ökonomie nicht vollständig ab. Bei
Marx sei vielmehr zwischen der Arbeitswerttheorie und einer Theorie des
Mehrproduktes zu unterscheiden. Dieser "surplus approach" sei von der
Arbeitswerttheorie unabhängig, und als Alternative zur Neoklassik weiterzuentwickeln
(Steedman 1981). Im Rahmen eines solchen Programms wurde dann insbesondere versucht,
eine Theorie der Ausbeutung zu formulieren, die nicht auf Arbeitswerte
rekurriert (Hodgson 1980, Cohen 1981, Roemer 1981, Kap.2). Auch die Attraktivität
eines "rational choice marxism", der auf eine Reformulierung nicht
nur der Kritik der politischen Ökonomie sondern des gesamten historischen
Materialismus abzielt (Elster 1985), ist nur vor dem Hintergrund der neoricardianischen
Kritik an der Marxschen Ökonomie zu verstehen.
Die Arbeitswerttheorie wurde
aber nicht nur als direkte Folge der Schwierigkeiten bei der Wert-Preis
Transformation abgelehnt. Motiviert durch diese Debatte wurde auch die Marxsche
Argumentation zu Beginn des ersten Bandes einer Kritik unterzogen. Bereits
Böhm-Bawerk hatte die Auffassung vertreten, es sei Marx in seinem ersten
Kapitel nicht gelungen die Arbeitswerttheorie zu "beweisen". Ein Teil
seiner Argumente wurde in den 70er und 80er Jahren auch von linken Autoren
aufgegriffen. So wurde geltend gemacht, daß der Tausch nicht zwangsläufig als
Gleichung aufgefaßt werden müsse. Ist dies aber nicht der Fall, ist auch nicht
nach einer diese Gleichheit ausmachenden "Substanz" zu suchen. Marx
habe daher durch die Struktur seiner Frage die Antwort bereits festgelegt
(Cutler et al. 1977). Von Carling (1984) wurde das Marxsche
"Ausschließungsverfahren" (mehrere mögliche Kandidaten, die eventuell
als Wertsubstanz in Frage kommen werden ausgeschlossen, bis schließlich nur
noch Arbeit als das den Waren Gemeinsame übrig bleibt) erneut als unbegründet
zurückgewiesen. Castoriadis (1978) kritisierte den Versuch, Tauschwert auf
Arbeit als eine "Substanz" zurückzuführen, als grundsätzlich nicht
gangbar ([17]), und versuchte zu zeigen, daß die Konzepte "gesellschaftlich
notwendige Arbeitszeit", "einfache Arbeit" und "abstrakte
Arbeit" inkonsistent seien. Von Lippi (1979) wurde die Arbeitswerttheorie
sogar als "Naturalismus" gebrandmarkt, als Versuch mit
überhistorischen Gesetzen (nämlich der Notwendigkeit der Verteilung der
gesellschaftlichen Arbeit auf einzelne Sphären der Produktion) spezifisch kapitalistische
Verhältnisse zu erklären. Durch solche Kritiken erhielten die
neoricardianischen Rekonstruktionsversuche auch wieder neue Unterstützung, da
sie sich nur auf die anscheinend unproblematischen Reste der Kritik der
politischen Ökonomie stützen.
4. Alternative Interpretationen der
Wert-Preis Transformation
Faßt man die Kritik an der
Werttheorie, die sich bei der Debatte um das Transformationsproblem ergeben
hat, zusammen, so erhält man zwei wesentliche Punkte:
1. Die von Marx behaupteten
Identitäten von Mehrwertsumme und Profitsumme sowie von Wertsumme und Produktionspreissumme
können in der Regel nicht gleichzeitig erfüllt sein. Oder anders ausgedrückt:
die allgemeine Profitrate des Preissystems ist mit dem Durchschnitt der Wertprofitraten
nicht identisch. Gegen die Werttheorie kann man dann folgern, daß Profit und
Mehrwert anscheinend nichts miteinander zu tun haben.
2. Um ein konsistentes System
von Produktionspreisen zu berechnen, ist die Kenntnis von Wertgrößen
überflüssig, es genügt ein physisches Mengensystem von Produktionsmittel- und
Arbeitsinputs, in dem die technische Produktionsstruktur ihren Ausdruck findet.
Die Werttheorie erscheint somit als redundant.
Gegen den ersten Punkt kann man
(strikt innerhalb des Formalismus der linearen Modelle) zunächst mit dem
"Fundamentaltheorem" argumentieren, daß eine positive Profitrate
genau dann vorliegt wenn auch die Mehrwertrate positiv ist. Da die Profitmasse
aber von der gesamtgesellschaftlichen Mehrwertmasse in der Regel abweicht
(falls man die plausible Normierung Wertsumme gleich Preissumme wählt) scheint
es so als könne Profit "aus dem Nichts" entstehen. Demgegenüber hat
aber bereits Itoh (1976) eingewendet, daß (bei einfacher Reproduktion) Profitmasse
und Mehrwertmasse für dasselbe Mehrprodukt verausgabt werden. Dies wird besonders
bei dem oben angeführten Dreisektorenmodell von Bortkiewiecz deutlich: was die
Kapitalisten für ihren Überschuß kaufen (sei er nun zu Preisen als Profit oder
zu Werten als Mehrwert berechnet) ist stets das Gesamtprodukt der Abteilung
drei. Eine formale Verallgemeinerung dieses Arguments findet sich bei Lipietz
(1982, S.66). Bei der Abweichung der Wertprofitrate von der Preisprofitrate
handelt es sich also nicht um mysteriöse Entstehungs- oder Vernichtungsprozesse.
Man muß sich vielmehr von der Vorstellung lösen, das Preissystem würde sich aus
dem Wertsystem durch eine einfache Umverteilung vorhandener Mehrwertquanten
ergeben (zur Kritik dieser Vorstellung siehe Cogoy, 1977, S.34ff).
Gegenüber dem zweiten Punkt
wurde die Marxsche Werttheorie mit unterschiedlichen Strategien verteidigt.
Akzeptiert man den oben dargestellten quantitativen Formalismus, so kann man
sich der Konsequenz, daß Produktionspreise ohne Kenntnis des Wertsystems berechnet
werden können, nicht entziehen ([18]). Es wurde allerdings gegen den von Samuelson, Steedman und anderen
erhobnen Redundanzvorwurf geltend gemacht, daß es Marx überhaupt nicht um die
quantitative Deduktion von Produktionspreisen aus Werten gehe, sondern um den
qualitativen Nachweis, daß Profit (sowie die abgeleiteten Formen Zins und
Rente) auf Mehrwert und damit auf unbezahlter Mehrarbeit beruhen (Mattick 1973,
Baumol 1974, Armstrong et al. 1978). Insofern lassen sich die linearen Modelle
als vom Wertsystem unabhängige Methode zur Berechnung von Produktionspreisen
akzeptieren, und zugleich der Redundanzvorwurf zurückweisen, da es Marx gerade
auf diese Berechnung nicht angekommen sei. Sofern sich diese Auffassung als das
ausgibt "what Marx really meant" (so der Titel von Baumols Aufsatz),
geht sie allerdings an den explizit ausgedrückten Intentionen des dritten Bandes
vorbei: es ist zwar richtig, daß es Marx wesentlich darauf ankam nachzuweisen,
daß Profit nur eine verwandelte Form des Mehrwerts ist, doch will er dies
gerade durch die quantitative Bestimmung von Preisen und allgemeiner Profitrate
vermittels Wert- und Mehrwertgrößen zeigen. Insofern ist zumindest die Marxsche
Argumentationsstrategie sehr wohl durch den Redundanzvorwurf getroffen.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten
sich mit dem zweiten Vorwurf auseinanderzusetzen. Man kann den von den Neoricardianern
vorgegebenen formalen Rahmen weitgehend akzeptieren, das Verhältnis von Werten
und Preisen aber innerhalb dieses Rahmens in einer anderen Weise bestimmen.
Oder aber man kritisiert die dargestellten quantitativen Modelle als inadäquate
Rekonstruktionen der Marxschen Problematik. Dann wird der Redundanzvorwurf zwar
hinfällig, da sich diese Modelle nicht zur Kritik an der Werttheorie verwenden
lassen; da dies aber nichts daran ändert, daß das Marxsche
Transformationsverfahren inkorrekt ist, ist man auch hier auf neue Konzepte für
das Verhältnis von Werten zu Preisen angewiesen. In diesem Abschnitt werden zunächst
einige Varianten der ersten Art dargestellt.
a) Einschränkung der Transformation auf das Wertprodukt
Eine Interpretation der
Wert-Preis Transformation, die die neoricardianische Methode der Berechnung von
Produktionspreisen und Durchschnittsprofitrate zwar nicht in Frage stellt, die
aber trotzdem möglichst nahe an der Marxschen Darstellung zu bleiben versucht
und der Arbeitswerttheorie eine wesentliche Rolle zuweist, wurde unabhängig
voneinander von Dumenil (1980) und Foley (1982) entwickelt und dann von Lipietz
(1982) formalisiert. Verschieden von der Marxschen Auffassung sind bei dieser
Interpretation vor allem zwei Punkte. Da die Produktionsmittel aus einer
anderen Produktionsperiode stammen und stets neu bewertet werden müssen, wird
nicht mehr an der Identität von Wertsumme und Produktionspreissumme festgehalten.
Gegenstand der Transformation ist nur noch der durch die Verausgabung der lebendigen
Arbeit geschaffene neue Wert, so daß lediglich Preis und Wert des Nettoprodukts
gleich sein sollen. Vor allem aber wird der Wert der Arbeitskraft nicht mehr
wie bei Marx durch den Wert eines zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendigen
Konsumgüterbündels bestimmt. Stattdessen wird vom Geldlohn ausgegangen. Dieser
stellt einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil des durch die Arbeit neu geschaffenen
Wertprodukts dar. Der Wert der Arbeitskraft wird dann als dieser Anteil am
Wertprodukt aufgefasst. Für die Arbeitskraft fällt daher Wert und
Produktionspreis zusammen. Dafür wird der Wert der Waren, die der Arbeiter von
seinem Geldlohn zu Produktionspreisen kauft, in der Regel von diesem neu
bestimmten "Wert der Arbeitskraft" abweichen. Kaufen verschiedene
Arbeiter mit demselben Geldlohn unterschiedliche Warenkörbe, so wird auch der
Wert dieser Warenkörbe unterschiedlich sein. Dieses Vorgehen gewinnt seine
Plausibilität daraus, daß es offensichtlich kein für alle Arbeitskräfte
eindeutig bestimmtes, für ihre Reproduktion notwendiges Konsumgüterbündel gibt,
sie vielmehr verschiedene Möglichkeiten besitzen, ihre Geldlöhne zu
verausgaben.
Da das durch Gleichungssystem
(A) dargestellte Produktionspreissystem einen Freiheitsgrad besitzt, kann man
die Preise so normieren, daß die Summe aus Mehrwerten und variablem Kapital
gleich der Summe aus Löhnen und Profiten ist ([19]). Da für die Arbeitskraft aber Wert und Produktionspreis zusammenfällt,
also die Lohnsumme gleich dem gesamten variablen Kapital ist, folgt, daß auch
die Summe der Profite gleich der Summe der Mehrwerte ist. Diese quantitative
Transformation drückt nun aus, daß das von den Arbeitskräften neugeschaffene
Wertprodukt zwischen Arbeitern und Kapitalisten verteilt wird, daß der Mehrwert
allerdings zwischen den Kapitalisten umverteilt wird, was der Marxschen
Beschreibung des Prozesses entspricht. Daß sich Produktionspreise und
Durchschnittsprofitrate ohne die Kenntnis von Werten berechnen lassen, wird dabei
nicht bestritten. Allerdings wird daraus nicht auf die Redundanz der
Werttheorie geschlossen. Dumenil (1983, S.434ff) faßt das Produktionspreissystem
als ein Modell auf, das bloß die Erscheinungen der Realität repräsentiert, und
das überhaupt erst der theoretischen Erklärung bedürfe. Er illustriert dies am
Beispiel der Gravitation: die bloße mathematische Beschreibung der Fallbewegung
eines Körpers ist zwar auch ohne Gravitationstheorie möglich, sie macht eine solche
Theorie aber keineswegs überflüssig. Genausowenig macht die Multiplikation mit
1+r eine Erklärung des Profits überflüssig. ([20])
b) Einführung heterogener Arbeit
Krause bietet eine Lösung des
Transformationsproblems an, die auf einer partiellen Reformulierung der
Marxschen Werttheorie beruht (Krause 1977, 1979a, 1979b). Er lehnt die "substanzlogische
Argumentation" von Marx, d.h. die Auffassung des Werts als einer den einzelnen
Waren zukommenden Substanz ab, und ersetzt sie durch eine "Relationenlogik".
Wert wird als eine (binäre) Relation auf der Menge der Waren aufgefaßt. Von
Äquivalenz oder Äquivalententausch könne man nicht in Bezug auf den einzelnen
Tauschakt sondern nur in Bezug auf das gesamte Tauschsystem sprechen:
Äquivalententausch liege vor, falls die Wertrelation eine Äquivalenzrelation
sei ([21]). Da es sich bei "Wert" um eine Relation handle, könne man
nicht vom Wert einer Ware sprechen.
Das Marxsche Argument, die Tauschgleichung drücke aus, daß in den beiden Waren
ein "Gemeinsames von derselben Größe" (MEW 23, S.51) enthalten ist,
wird als scholastisch zurückgewiesen (Krause 1977,152ff) ([22]). Die Notwendigkeit des Geldes wird bei Krause durch das
Auseinanderfallen von Gebrauchsstruktur und Tauschstruktur begründet, d.h. je
nach Gebrauchsstruktur sind die Bedürfnisse der einzelnen Produzenten nicht
alle durch direkten Tausch zu erfüllen, eine Schwierigkeit, die vermittels Geld
behoben werden kann ([23]).
An der neoricardianischen und
den meisten marxistischen Auffassungen der Werttheorie kritisiert Krause, daß
stets homogene Arbeit vorausgesetzt würde. Tatsächlich sind die Waren aber Produkte
heterogener, d.h. unterschiedlicher konkreter Arbeit. Im Tausch werden diese verschiedenen
Arbeiten einander in einem bestimmten quantitativen Verhältnis gleichgesetzt,
so daß gilt:
1 Stunde Arbeit der Art A = xab
Stunden Arbeit der Art B.
Die Zahlen xab
heißen Reduktionskoeffizienten. Abstrakte Arbeit ist nach Krause konkrete Arbeit
in ihrer Gleichgeltung mit anderen konkreten Arbeiten. Die Wertgröße der Waren ist
erst dann bestimmt, wenn die Reduktionskoeffizienten bekannt sind und man sich
auf eine bestimmte konkrete Arbeit als Einheit bezieht. Nun argumentiert Krause,
daß sich die Reduktionskoeffizienten nicht allein aufgrund der technischen
Produktionsbedingungen ([24]) sondern nur durch die gemeinsame Betrachtung von Produktion und
Zirkulation bestimmen lassen: er formuliert als "fundamentale
Beziehung" die Proportionalität von Werten und Preisen (Krause 1977,
S.159, 1979a, S.36, 1979b, S.100). Auf der Darstellungsebene des ersten Bandes
des "Kapital" sei die Ausführung dieser Berechnung aber weder möglich
noch notwendig. Erst aufgrund der Preise, die eine allgemeine Profitrate
ermöglichen, lassen sich auch die Reduktionskoeffizienten bestimmen. Da für die
unterschiedlichen Arbeiten aber auch unterschiedliche Lohnsätze bezahlt werden,
ist das System nun unterbestimmt: 4n+1 Unbekannten (jeweils n Preisen, Werten,
Lohnsätzen und Reduktionskoeffizienten, sowie einer Profitrate) stehen nur 3n-1
Gleichungen (jeweils n Gleichungen für die Preise und die Werte sowie n-1 Gleichungen
für die Proportionalität von Werten und Preisen) gegenüber, so daß sich für die
Variablen keine eindeutigen Lösungen ergeben. Es können daher noch zusätzliche
Bedingungen (wie z.B. die Identität von Mehrwertmasse und Profitmasse sowie von
Wertsumme und Preissumme) an das System gestellt werden können. Das
"Transformationsproblem" verschwindet nicht nur, wie Krause meint,
weil die Werte nicht vor den Preisen bestimmt werden, es also gar keine Transformation
von gegebenen Werten in Preise gibt, sondern vor allem weil durch die
Einführung von zusätzlichen Variablen (in Gestalt der Reduktionskoeffizienten)
das Wert-Preis-System derartig flexibel geworden ist, daß man nahezu alles
damit machen kann ([25]).
c) Werte, Preise und Profite als stochastische Größen
Im Rahmen eines neuen Zugangs
zur politischen Ökonomie legten Farjoun und Machover (1983) auch eine Interpretation
der Wert-Preis Transformation vor. Ihr neuer Ansatz basiert auf einer Kritik
desjenigen Punktes, in welchem Marx und die bürgerliche Ökonomie übereinstimmen:
der Charakterisierung eines Gleichgewichtszustandes durch die Annahme einer für
alle Kapitale gleichen Profitrate. Farjoun/Machover bestreiten sowohl die
theoretische Konsistenz als auch die empirische Triftigkeit einer solchen
Auffassung von Gleichgewicht. Theoretisch inkonsistent sei sie deshalb, weil
die kapitalistische Konkurrenz nicht nur Bewegungen hervorbringt, die zu einem
Profitratenausgleich führen, sondern auch solche die immer wieder neue Profitratenunterschiede
erzeugten ([26]). Auch wenn der Zustand eines Profitratenausgleichs tatsächlich einmal erreicht
worden sei, würde er sofort wieder durch die dem System eigene Dynamik zerstört
werden. Wird unter Gleichgewicht aber der Zustand verstanden, zu dem ein System
aufgrund seiner inneren Kräfte hinstrebt, so könne dies für eine kapitalistische
Ökonmie nicht die Situation gleicher Profitraten sein. Auch empirische
Ergebnisse würden keineswegs darauf hindeuten, daß sich kapitalistische
Ökonomien als Oszillation um einen durch gleiche Profitraten charakterisierten
Zustand auffassen lassen. Farjoun/Machover schlagen daher vor, den Gleichgewichtszustand
nicht durch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate sondern durch eine bestimmte
Profitratenverteilung zu charakterisieren. Die Konkurrenz führe zwar dazu, daß
sich die Profitraten der einzelnen Kapitale beständig änderten, die Verteilung
der Profitraten auf das Gesamtkapital aber etwa konstant bliebe. Dies hieße,
daß beispielsweise der Anteil des gesellschaftlichen Kapitals mit einer extrem
niedrigen Profitrate ungefähr gleich bleiben, die Einzelkapitale, die diesen
Teil bilden, aber mit der Zeit wechseln würden. Farjoun/Machover schlagen daher
vor, die Profitrate (ebenso wie Preise und Lohnraten) als Zufallsvariable
aufzufassen. Dem "deterministischen" Ansatz der bisherigen politischen
Ökonomie stellen sie einen "probabilistischen" gegenüber: statt der
linearen Algebra soll die Wahrscheinlichkeitstheorie zur Formalisierung von
Aussagen verwendet werden.
Um nun zu bestimmten
ökonomischen Aussagen zu kommen, müssen Annahmen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung
der einzelnen Größen gemacht werden. Aufgrund von empirischen und heuristischen
Argumenten gehen Farjoun/Machover nicht von Normalverteilungen sondern von
sogenannten Gammaverteilungen aus ([27]). Gestützt auf empirische Untersuchungen des englischen und des
amerikanischen Kapitals behaupten sie, daß das Verhältnis von Profiten zu
Löhnen bei den einzelnen Kapitalen nahezu gleich ist. Daraus folgern sie dann,
daß die Verteilungen für die Profitraten und den Lohn pro Kapitaleinheit
ähnlich sein müssen, so daß der Quotient aus diesen beiden Zufallsvariablen
(der selbst wieder eine Zufallsvariable darstellt), nahezu degeneriert ist (Farjoun/Machover
1983, S.69f).
Während sie den Arbeitsinhalt
einer Ware als durch die optimalen Produktionsmethoden gegeben ansehen, fassen
Farjoun/Machover ihren Preis wieder als Zufallsvariable auf. Das Verhältnis von
Preis zu Arbeitsinhalt bezeichnen sie als "spezifischen Preis". Wären
die Preise den Werten proportional, so wäre der spezifische Preis für jede Ware
gleich. Dies wird von den Autoren zwar abgestritten, da sie die Preise als
Zufallsvariable auffassen, doch versuchen sie nachzuweisen, daß die Zufallsvariable
"spezifischer Preis" normalverteilt ist und eine geringe Standardabweichung
besitzt, so daß sich die Warenpreise "fast" wie die Werte verhalten.
In diesem Fall entsteht natürlich auch kein Transformationsproblem: die
Profitratenunterschiede, von denen die Autoren auch im Gleichgewicht ausgehen,
lassen sich in erster Nährung durch einen Tausch "nahezu" zu Werten
begreifen. In diesem Sachverhalt erblicken Farjoun/Machover auch einen Grund
für die Überlegenheit der Marxschen Ökonomie: die Annahme einer gleichen Profitrate,
in der die beiden das Hauptübel aller ökonomischen Theorie erblicken, wird erst
in einer verhältnismäßig späten Stufe der Marxsche Theorie relevant; ein
Großteil ihrer Aussagen ist daher von diesem zweifelhaften Theorem unabhängig.
Die Normalverteilung des
spezifischen Preises, die ergibt, daß die wirklichen Tauschakte durch einen
Tausch zu Werten nahezu richtig beschrieben werden und das Transformationsproblem
somit verschwindet, läßt sich allerdings nicht, wie auch die Autoren zugeben,
zwingend herleiten (Farjoun/Machover, 1983 S.111). Sie argumentieren mit
bestimmten Abschätzungen, die sich auf Plausibilitätsannahmen stützen. Dabei
geht aber ganz wesentlich die Annahme ein, daß sich das ökonomische System fast
in einem steady-state Zustand befindet (ebd. S.117). Dies erscheint aber nicht
nur aus empirischen Gründen dubios. Farjoun und Machover führen die Realitätsferne
eines solchen Zustandes an vielen Stellen ihres Buches als Argument gegen den Determinismus
der bürgerlichen wie der Marxschen Ökonomie an.
5. Die monetäre Werttheorie von
Marx
Mit Ausnahme von
Farjoun/Machover verblieben die im letzen Abschnitt vorgestellten Autoren
weitgehend in dem von den Neoricardianern vorgegebenen theoretischen Rahmen.
Allerdings gibt es auch Ansätze, die diesen Rahmen einer Kritik unterziehen. So
wurde eingewandt, daß die Formalisierung der Werttheorie vermittels linearer Modelle
keineswegs die rationale Rekonstruktion der Marxschen Wertlehre sei, als die
sie sich selbst versteht. Vielmehr handle es sich um eine einseitige
preistheoretische Lesart, die so zentrale Elemente wie den Unterschied von
konkreter und abstrakter Arbeit überhaupt nicht aufnehme (Berger 1979). Vor allem
aber werde die Marxsche Wertformanalyse und der zentrale Stellenwert des Geldes
als eines systemnotwendigen Steuerungsmittels nicht berücksichtigt. Damit werde
in diesen Modellen aber gerade das Spezifische einer Warenökonomie verfehlt
(Ganßmann 1983). In der Tat unterstellen die linearen Modelle ein technisch
bestimmtes Produktionssystem, sowie einen bestimmten Reallohnsatz aus dem dann
die Preise berechnet werden, die jedem Unternehmen die gleiche Profitrate
ermöglichen. Diese gleiche Profitrate wird aber nur dann erzielt, wenn das
gesamte Produkt verkauft werden kann. Die errechneten Preise machen also nur
Sinn, wenn immer schon unterstellt ist, daß sich das System im Gleichgewicht
befindet. Geld kann dann nur die Rolle eines numéraires spielen. Da die
Mengenrelationen bekannt sind und auch genau die für das Gleichgewicht
erforderlichen Mengen produziert werden, ist die Auspreisung eigentlich
überflüssig: für das Funktionieren der Ökonomie ist sie nicht konstitutiv, sie
erscheint eher als der nachträgliche Akt des Theoretikers. In der
neoricardianischen Ökonomie ermöglicht also nicht erst der Bezug auf Geld die
stets prekäre Reproduktion (wie in einer wirklichen Warenökonomie) sondern umgekehrt:
das vorausgesetzte Reproduktionsgleichgewicht ermöglicht die Beziehung auf
Geld.
Die Abstraktion vom Geld trifft
aber auch auf sämtliche Alternativmodelle des vorigen Abschnitts zu. Der
"value of money" von Foley ist lediglich ein Umrechnungsfaktor, der
das Wertprodukt mit dem Preis des Nettoprodukts in Beziehung setzt. Dieser
"Foley-Faktor" hat mit Geld als spezifischer Strukturbildung der
Warenzirkulation absolut nichts zu tun. Ebenso verhält es sich mit Krauses
Betonung der Wichtigkeit der Wertform. Sie erschöpft sich bei ihm in der Behauptung
der Proportionalität von Werten und Preisen. Weder in dem Dumenil/Lipietz/Foley
Ansatz noch bei Krause kommt Geld eine konstitutive Bedeutung zu. Dies kann
auch gar nicht anders sein, da sie wie die Neoricardianer implizit einen
fertigen Gleichgewichtszustand unterstellen und lediglich eine andere Zuordnung
von Wertgrößen zu entsprechenden Mengen suchen. Aber auch bei Farjoun/Machover
spielt Geld keine Rolle. Insofern weicht ihre Problemstellung doch nicht so
wesentlich von derjenigen der Neoricardianer ab, sie verwenden lediglich einen
anderen mathematischen Formalismus für denselben merkwürdigen Gegenstand einer
geldlosen Warenökonomie. Das für die Marxsche Werttheorie zentrale Problem, wie
Arbeitsprodukte nicht als bloß einander gegenüberstehende Gebrauchswerte
sondern als Waren aufeinander bezogen werden können, wie sich privat verausgabte
Arbeit als gesellschaftliche Arbeit konstituiert, wird überhaupt nicht
gestellt. Daher kann auch Geld als Lösung dieser Probleme und zugleich Anlaß
für Strukturbildungen, die über die einfache Warenzirkulation hinausgehen,
nicht thematisiert werden.
Der Einwand, daß vom Gelde
abstrahiert wird, läßt sich allerdings auch gegenüber der Marxschen Darstellung
der Transformation von Werten in Produktionspreise im dritten Band des "Kapital"
vorbringen. Sein quantitativer Transformationsversuch von Werten in Preise
setzte ein bestehendes System von Wertgrößen voraus. Da die Waren aber nicht zu
diesen Werten ausgetauscht werden sondern zu Produktionspreisen, muß es sich
bei diesen Wertgrößen um Wertgrößen handeln, die den Waren bereits vor dem
Austausch zukommen, also ohne Bezug auf Geld. Das heißt jede einzelne Ware
besitzt bereits eine fertige Wertgröße bevor sie auf den Markt gebracht wird.
Das eigentliche Problem des Warentausches, daß die Waren nur als Werte aufeinander
bezogen werden können, wenn sie auf Geld bezogen werden, erscheint hier genausowenig
wie bei den Neoricardianern. Insofern gehen deren Rekonstruktionsversuche zwar
an der der Komplexität der im ersten Band des "Kapital" präsentierten
Werttheorie vorbei, den Werten aber, die Marx im dritten Band in
Produktionspreise transformieren will, scheint sie einigermaßen angemessen zu
sein. Das bedeutet aber nichts anderes, als das die Marxsche Werttheorie ein
viel weniger einheitliches Gebäude ist, als die meisten Interpreten annehmen.
a) Marx' neues Paradigma
Marx hat die Arbeitswerttheorie
der bürgerlichen Klassik nicht einfach übernommen und an einigen Stellen verbessert,
wie manche Autoren meinen. Seine Kritik der politischen Ökonomie muß vielmehr
als eine "wissenschaftliche Revolution" im Sinne von Kuhn (1962), als
ein Paradigmenwechsel und nicht als Fortschritt innerhalb eines gegebenen
Paradigmas aufgefaßt werden ([28]). In Anlehnung an die Arbeiten von Althusser (1968, 1972) läßt sich
dieser Paradigmenwechsel als Aufgeben einer anthropologischen Begründung des
theoretischen Feldes der Ökonomie begreifen. Daß die Größe des (Tausch)Werts
einer Ware durch die zu ihrer Produktion notwendige Arbeitszeit bestimmt sei,
wurde von Adam Smith mit der Rationalität der einzelnen Warenproduzenten
begründet. Da die mit der Arbeit verbundene Mühe den wirklichen Preis für die Erlangung
eines Dinges ausmache, werde es nicht gegen etwas getauscht, dessen Erlangung
weniger Mühe verursache (Smith 1776, S.37, 41) ([29]). Im Gegensatz zu dieser Auffassung schreibt Marx im "Kapital":
"Die Menschen beziehen
also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen
als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt.
Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte
gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit
gleich. Sie wissen das nicht, aber sie
tun es." (MEW 23, S.88, Hervorhebung von mir)
Marx bestimmt den Wert gerade
nicht durch einen Rekurs auf die Rationalität der Warenbesitzer, sondern als Ausdruck
einer gesellschaftlichen Struktur, die den Individuen ihre Plätze anweist und
eine bestimmte Rationalität überhaupt erst hervorbringt. Diesem neuen Terrain
ökonomischer Begriffsbildung verdankt sich auch die Unterscheidung zwischen
abstrakter und konkreter Arbeit. Nicht konkrete Arbeit (die der einzelne
Warenproduzent verrichtet und die ihm Mühe verursacht) sondern abstrakte
Arbeit, d.h. Arbeit, die dadurch zu gesellschaftlicher Arbeit wird, daß sie im
Tausch ihrer Produkte als gleiche menschliche Arbeit auf andere Arbeit bezogen
wird, ist wertbestimmend. In der Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte
(die eben kein natürliches sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist) kommt
der für die bürgerliche Gesellschaft spezifisch gesellschaftliche Charakters
der Arbeit zum Ausdruck. Die Untersuchung dieses "spezifisch
gesellschaftlichen Charakters" und nicht die Begründung des Satzes, daß
das Austauschverhältnis zweier Waren den inkorporierten Arbeitsmengen proportional
ist, ist der eigentliche Gegenstand der Marxschen Werttheorie ([30]).
Der Wert einer Ware kann nun
nicht an ihr selbst bestimmt werden, sondern nur in der Beziehung auf die
übrigen Waren und dies ist nur vermittels des Geldes möglich. Daher ist die Marxsche
Werttheorie wesentlich "monetäre Werttheorie" ([31]). Die Klassik, die dagegen vom Rationalitätskalkül des einzelnen
Warenbesitzers (der das Produkt seiner Mühe nur gegen ein Produkt von gleicher
Mühe tauschen will) ausgeht, thematisiert im Grunde eine Barterökonomie. Geld
kann sie dabei nur als ein bloß technisches Hilfsmittel begreifen. Dieser
prämonetäre Ansatz wird bei allen inhaltlichen Unterschieden auch von der
Neoklassik und den Neoricardianern geteilt. Dagegen faßt Marx die bürgerliche
Ökonomie wirklich als Warenökonomie,
die sich eben nicht aus einzelnen Tauschakten sondern durch einen allseitigen
über Geld vermittelten Zusammenhang herstellt. Das bedeutet aber auch, daß es
sich verbietet von einer vor dem tatsächlichen Tausch vorhandenen quantitativ
bestimmten Wertstruktur auszugehen ([32]). Dann stellt sich das Problem der Wert-Preis Transformation aber auch
nicht in der Art wie es von Marx im 9.Kapitel des dritten Bandes aufgefaßt
wird, als Umrechnung von gegebenen Wert- in aufzufindende Preisgrößen.
b) Das Transformationsproblem als ricardianischer Rest bei Marx
Daß Marx überhaupt in die
Sackgasse einer quantitativen Wert-Preis Transformation geriet, wird
verständlich, wenn man die Herausbildung seiner eigenen theoretischen
Konzeption betrachtet. Marx eröffnete zwar ein neues wissenschaftliches
Terrain, das von dem der klassischen politischen Ökonomie unterschieden ist,
doch war er sich, wie Althusser (1972) deutlich gemacht hat, keineswegs über
den Begriff dieser Differenz vollständig im Klaren. So ist es nicht verwunderlich,
daß sich im "Kapital" auch noch Konzepte und Fragestellungen vorfinden,
die sich dem bereits überwundenen Feld verdanken. Marx entwickelte seine
theoretischen Konzepte zu großen Teilen in Auseinandersetzung mit Ricardo als
dem fortgeschrittensten bürgerlichen Ökonomen. Er deckte dessen Widersprüche
auf und versuchte sie selbst zu lösen. Bereits in den "Grundrissen"
hatte Marx erkannt, daß Ricardo auf der Grundlage seiner eigenen Wertbestimmung
zwei zentrale Probleme nicht gelöst hatte:
- die Erklärung des
"Austauschs zwischen Kapital und Arbeit" (d.h. Ricardo konnte nicht
erklären wieso die Arbeit einen höheren Wert schaffen kann, als sie selbst
besitzt und ihr vom Kapital bezahlt wird),
- die Vereinbarkeit der
Wertbestimmung durch Arbeit mit der Existenz einer allgemeinen Profitrate.
Beide Probleme will Marx auf
der Grundlage der Werttheorie lösen. Zu dem Zeitpunkt als Marx diese Probleme erkannt
hatte, hatte er aber seine "monetäre Werttheorie" noch nicht klar herausgearbeitet.
Seine Problemstellung war daher noch von einer "ricardianisch" gefaßten
Werttheorie geprägt. Die Ausformulierung seiner eigenen Werttheorie, die
Schaffung eines neuen Paradigmas und die Abarbeitung am alten Paradigma, der
Versuch, dessen Widersprüche zu verstehen und zum Teil auch zu lösen war bei
Marx ein einziger untrennbarer und vor allem unabgeschlossener Prozeß.
Ricardo bestimmte im
Wertkapitel seiner "Principles" (Ricardo 1817) die relativen Werte
zweier Waren zunächst durch die verhältnismäßigen Arbeitsmengen, die zu ihrer
Produktion direkt und indirekt erforderlich sind. Andererseits ging er auch
davon aus, daß Kapitale, die ihre Produkte zu ihren Werten verkaufen, eine
gleiche Profitrate erzielen würden. Nun war ihm aufgefallen, daß sich bei zwei
Waren, die mit einem unterschiedlichen Verhältnis von direkter zu indirekter
Arbeit produziert wurden, Lohnerhöhungen unterschiedlich auf die mit diesen
Waren erzielten Profitraten auswirken. Daher folgerte er, daß im obigen Fall
die Wertbestimmung "modifiziert" werden müsste. Verändert sich das
Austauchverhältnis der beiden Waren nach der Lohnerhöhung nämlich nicht, so
werden beide nicht mehr mit derselben Profitrate produziert. Ricardo zog daraus
den Schluß, daß sich die relativen Werte auch ohne Änderung der zur Produktion
notwendigen Arbeitsmengen ändern müßten, dann nämlich wenn die Waren mit unterschiedlichen
Mengen an direkter und indirekter Arbeit produziert würden und es zu einer
Lohnänderung käme.
Ein Wertsystem, das nur die zur
Produktion der Waren notwendigen Arbeitsmengen widerspiegelt, ist verteilungsunabhängig.
Ricardos Entdeckung bestand nun darin, daß Austauschrelationen, die eine
Durchschnittsprofitrate ermöglichen, nicht verteilungsunabhängig sein können.
Er folgerte daher, daß solche Austauschrelationen dann auch nicht
ausschließlich durch die relativen Arbeitsmengen bestimmt werden. Diesen
generellen Sachverhalt untersuchte er aber an einen speziellen Fall, nämlich
dem Einfluß von Lohnänderungen auf die Austauschrelationen ([33]).
Marx hielt gegenüber Ricardo in
aller Klarheit den Unterschied zwischen einem Tausch zu Werten, die den zur
Produktion aufgewendeten Arbeitsmengen proportional sind und einem Tausch zu
Produktionspreisen, die den verschiedenen Kapitalien eine gleiche Profitrate ermöglichen,
fest. Damit holte er zunächst nur eine bei Ricardo unvollkommene Unterscheidung
nach. Zugleich versuchte er aber auch eine quantitative Verbindung zwischen beiden
Sphären anzugeben, d.h. er versuchte aus gegebenen Wertgrößen
Durchschnittsprofitrate und Produktionspreise zu berechnen. Die Möglichkeit
einer solchen Berechnung setzt aber die quantitative Bestimmung der einzelnen
Wertgrößen unabhängig vom Austausch voraus. Werte werden dann wie bei Ricardo
auf bloße Arbeitsquantitäten, die unabhängig von Geld sind, reduziert. Und in
der Tat wendet Marx nicht einfach einen falschen Transformationsalgorithmus an,
er abstrahiert vor allem völlig vom Geld. Er zeigte also nicht nur ein Problem
Ricardos auf, er versuchte es auch auf dem von Ricardo vorgegebenen Terrain
einer nicht-monetären Arbeitswerttheorie zu lösen. Das eigentliche Verdienst
der Neoricardianer ist nun darin zu sehen, daß sie gezeigt haben, daß eine
solche nicht-monetäre Werttheorie zur Bestimmung (der ebenfalls
nicht-monetären) Produktionspreise überflüssig ist.
c) Die Wert-Preis Transformation als begrifflicher Übergang zwischen
verschiedenen Stufen der Darstellung
Die Marxsche monetäre
Werttheorie, deren Elemente sich im ersten Band des "Kapital" und vor
allem in "Zur Kritik der politischen Ökonomie" finden, hat es nicht
in erster Linie damit zu tun, daß die Wertgröße einer Ware durch ein bestimmtes
Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit bestimmt ist, sondern mit dem
spezifisch gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, die sich überhaupt als Ware
darstellt. Diese spezifisch gesellschaftlichen Bestimmungen erschöpfen sich
aber nicht in der bloßen Feststellung des Doppelcharakters der Waren produzierenden
Arbeit. Gesellschaftlich wird die verausgabte Arbeitszeit nur, wenn sie sich
als "allgemeine Arbeitszeit" (MEW 13, S.19) erweist, die sich
"in einem allgemeinen Produkt, einem allgemeinen Äquivalent" (MEW 13,
S.20) darstellt. Der eigentliche Gegenstand der monetären Werttheorie ist daher
nicht die Wertgröße sondern die Wertform und ihre entwickeltste Gestalt, die
Geldform, sowie die auf ihr beruhenden Strukturbildungen ([34]). Die Transformation von Werten in Produktionspreise ist als Bestandteil
dieser Formanalyse keine Umrechnung von einem quantitativen System in ein
anderes, sondern begrifflich-logischer Übergang zwischen verschiedenen Ebenen
der Darstellung, wie bereits von einigen Autoren mit unterschiedlicher
Akzentuierung hervorgehoben wurde (Gerstein 1976, Himmelweit/Mohun 1981). Wurde
im ersten Band des "Kapital" der Zusammenhang von Ware und Geld
zunächst abstrakt, d.h. in Absehung der weiteren Verhältnisse unter denen
Warenproduktion und -zirkulation stattfindet, dargestellt, um dann den Begriff
des Kapitals (dessen unmittelbaren Produktions- und Zirkulationsprozeß) auf
dieser Grundlage zu entwickeln, so wird im dritten Band des "Kapital"
Produktion und Zirkulation von Waren erst wirklich als Resultat kapitalistischer
Produktion aufgefaßt. Ware ist jetzt nicht mehr nur Resultat einer spezifisch
gesellschaftlichen Form von Arbeit, Ware ist jetzt konkreter bestimmt als Resultat
kapitalistischer Lohnarbeit, der Verausgabung von Kapital. Nur dieser Übergang
läßt sich sinnvoll als "Verwandlung der Warenwerte in
Produktionspreise" fassen ([35]). Die Inkongruenz der Werte und der Produktionspreise drückt dann nicht,
wie die Marxsche Darstellung nahe legt, aus, daß eine zunächst formulierte
quantitative Bestimmung der Tauschrelationen ("Äquivalententausch")
durch eine verfeinerte (Tausch zu Produktionspreisen) ersetzt wurde; sie drückt
vielmehr aus, daß sich mit dem Wechsel der Darstellungsebene das theoretische
Beziehungsgefüge der den Tausch determinierenden Faktoren geändert hat. Im
Rahmen einer solchen Auffassung der Werttheorie ist es aber dann äußerst
problematisch, von einer irgendwie gearteten quantitativen Regulation des
Preissystems durch die Werte zu sprechen, denn damit wird unterstellt, dass irgendwo
ein gewissermaßen reines, quantitativ fixiertes Wertsystem existiert ([36]), als dessen Ausfluß sich ein bestimmtes Preissystem ergibt. Von Regulation
kann nur insofern gesprochen werden als die Kategorie Wert dem Verständnis der
Kategorien Preis, Profit etc. vorgeordnet ist, daß wenn daher sinnvoll von
Preisen und Profiten gesprochen wird, Werte (begrifflich) immer schon
vorausgesetzt werden ([37]). Allerdings erscheint mir dann für die Charakterisierung des
Verhältnisses von Werten zu Preisen der von Althusser geprägte Begriff
"strukturaler Kausalität" (Althusser 1972, Kap.9) zutreffender zu
sein ([38]).
Die qualitativ aufgefaßte
monetäre Werttheorie hat zwar keine Schwierigkeiten mit dem klassischen
Transformationsproblem, allerdings hat sie mit Problemen auf dem von ihr beanspruchten
Feld zu kämpfen: der Geld- und Kredittheorie. Marx entwickelte im ersten Band
des "Kapital" zwar den monetären Charakter des Werts, die Ansätze einer
Geldtheorie erscheinen allerdings durch ihre enge Bindung an die Existenz einer
Geldware problematisch und die Kredittheorie im dritten Band blieb von
vorneherein ein Fragment. Auf wichtige ökonomische Fragen ist die "monetäre
Werttheorie" die Antwort noch schuldig geblieben.
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[1]) Bereits im neunten Kapitel
des ersten Bandes hatte Marx gezeigt, daß die von verschiedenen Kapitalen
produzierten Mehrwertmassen nicht dem Gesamtkapital sondern lediglich dem variablen
Kapitalteil proportional sind. Er setzte hinzu: "Dies Gesetz widerspricht
offenbar aller auf Augenschein gegründeten Erfahrung. (...) Zur Lösung dieses
scheinbaren Widerspruchs bedarf es noch vieler Mittelglieder." (MEW 23,
S.325)
[2]) Im Vorwort zu dem von ihm
herausgegebenen zweiten Band des "Kapital" hatte Engels diese Aufgabe
bereits denjenigen gestellt, die behaupteten, Marx habe seine Wert- und
Mehrwerttheorie bei Rodbertus abgeschrieben (MEW 22, S.26). Bereits vor
Erscheinen des dritten Bandes löste er damit die Debatte über die
Transformation von Werten in Preise, die eine allgemeine Profitrate
ermöglichen, aus.
[3]) Es geht hier also nicht um
den täglich schwankenden Marktpreis sondern um das Schwankungszentrum der
Marktpreise: dieses kann nicht mehr vom Wert, sondern muß von einem davon
abweichenden Durchschnittspreis gebildet werden.
[4]) Zur Vereinfachung werden
gleiche Umschlagszeiten für alle Kapitale vorausgesetzt.
[5]) "Diese besondren
Profitraten sind in jeder Produktionssphäre = m/C und sind, wie dies im ersten
Abschnitt dieses Buchs geschehn, aus dem Wert der Ware zu entwickeln. Ohne diese Entwicklung bleibt die
allgemeine Profitrate (und daher auch der Produktionspreis der Ware) eine sinn-
und begriffslose Vorstellung." (MEW 25, S.167, Hervorh. von mir)
[6]) Zwar machten schon
Böhm-Bawerk (1896) und Tugan-Baranovsky (1905) das Verhältnis von Werten und Produktionspreisen
zum Gegenstand ihrer Kritik, der dargestellte systematische Fehler der Marxschen
Konstruktion wurde von ihnen aber nicht berücksichtigt. Bortkiewicz selbst
stützte sich auf Arbeiten des russischen Ökonomen Dmitriev (1898), der damit
begonnen hatte, die Theorie Ricardos zu formalisieren.
[7]) Man kann sogar Fälle
konstruieren, in denen sich die beiden Profitraten gegenläufig entwickeln, da gezeigt
werden kann daß die Luxusgüterindustrie keinen Einfluß auf die Preisprofitrate
hat.
[8]) Insbesondere aufgrund der
Darstellung in Sweezys erstmals 1942 erschienener, weit verbreiteter
"Theorie der kapitalistischen Entwicklung".
[9]) Im Vorwort heißt es dazu:
" Ein Wesenszug der im folgenden veröffentlichten Sätze ist es indes, daß
sie obgleich in keinerlei Diskussion zur Marginal-Theorie von Wert und
Verteilung eingreifend, nichtsdestoweniger in der Absicht konzipiert wurden,
als Grundlage für eine Kritik dieser Theorie zu dienen." (Sraffa 1960,
S.16)
[10]) Von fixem Kapital und
unterschiedlichen Umschlagszeiten wird abstrahiert.
[11]) Meine Darstellung weicht
insofern von Sraffas Behandlung ab, als ich die Lohngüter zum Kapitalvorschuß
rechne, während Sraffa Lohn und Profit aus dem durch die Technologie bestimmten
Nettoprodukt verteilt. Diese Abweichung ändert nichts am zugrundeliegenden
Argument, erleichtert aber später die Diskussion des Transformationsproblems.
[12]) Diese Kritik der Neoklassik
wurde im Anschluß an Sraffa formuliert und führte zu einer lebhaften Debatte zwischen
Neoricardianern und Neoklassikern. Eine neuere Replik von Seiten der Neoklassik
lieferte Hahn (1982), der sich mit den wesentlichen Beiträgen dieser Diskussion
auseinandersetzt.
[13]) Auch die oben dargestellte
Transformationsmethode von Bortkiewicz führt nur scheinbar von einem Wertsystem
zu einem Preissystem. Wesentlich ist nämlich auch dort, das durch das
Wertschema ausgedrückte Reproduktionssystem. Die dort vorhandenen Werte sind
nichts anderes als Indikatoren für die entsprechenden Mengen an Produktionsmitteln
und Lohngütern. Bortkiewiecz hatte auch selbst erkannt, daß sich das
Produktionspreissystem ohne Kenntnis eines Wertsystems berechnen läßt
(Bortkiewicz 1906/7, S.146).
[14]) Unter Kuppelproduktion
versteht man Produktionsprozesse die gleichzeitig mehr als ein Produkt liefern,
wie z.B. die Schafzucht (Wolle und Fleisch) oder viele Prozesse in der
chemischen Industrie.
[15]) Das Auftreten von negativen
Wertgrößen bei Kuppelproduktion und Versuche dies zu vermeiden, führten zu einer
ausgedehnten Diskussion, die sich aber mehr durch die Einführung weiterer
mathematischer Techniken wie etwa der linearen Optimierung
(Morishima/Catephores, 1978) als durch ökonomische Substanz auszeichnete.
[16]) "It can scarcely be
overemphasized that the project of providing a materialist account of
capitalist societies is dependent on Marx's value magnitude analysis only in
the negative sense that continued adherence to the latter is a major fetter on the
development of the former" (Steedman 1977, S.207). Zwar hatten auch schon
früher Autoren, die Marx mehr oder weniger wohlgesonnen waren, die Auffassung
vertreten, die wesentlichen Aussagen von Marx könnten auch unter Verzicht auf
die Arbeitswerttheorie formuliert werden (Robinson 1942, S.24), doch nun versuchen
marxistische Ökonomen durch eine Argumentation, die die Strenge eines
mathematischen Beweises beansprucht, die Arbeitswerttheorie aus der Marxschen
Ökonomie zu eliminieren.
[17]) Mit der Wertsubstanz wurde
aber nicht immer die Werttheorie abgelehnt, so etwa bei Krause (1977), auf den
wir noch zu sprechen kommen.
[18]) Daran ändert sich auch
nichts, wenn man berücksichtigt, daß die Marxsche Transformationsmethode als
erster Schritt eines Iterationsverfahrens aufgefaßt werden kann: man kann die
von Marx berechneten Produktionspreise als erste Annäherung auffassen und den
Mehrwert erneut umverteilen, wodurch sich neue Produktionspreise ergeben usw.
Die sich daraus ergebenden Folgen von Produktionspreisen und Profitraten
konvergieren gegen diejenigen Zahlenwerte, die man auch bei dem üblichen
Verfahren erhält. Shaikh (1977) sieht dadurch die Verbindung von Wert- und
Preisebene gewährleistet. Allerdings muß diese Iteration (bei einem gegebenen
stofflichen Reproduktionssystem) nicht mit den Arbeitswerten starten, sie kann
auch mit beliebigen Phantasiewerten begonnen werden und führt trotzdem zu den
korrekten Produktionspreisen, so daß sich auch bei diesem Verfahren die
Unabhängigkeit der Berechnung der Produktionspreise von der Kenntnis der
Wertstruktur zeigt.
[19]) Statt dieser Normierung
benutzt Foley den "value of money", den er als Quotienten von
aggregierter direkter Arbeitszeit (die er mit dem neugeschaffenen Wertprodukt
identifiziert) und Preis des Nettoprodukts bestimmt. Dieser "value of
money" ist nicht identisch mit dem Wert einer eventuell vorhandenen
Geldware sondern drückt den durchschnittlichen Arbeitswert einer Preiseinheit
des Nettoprodukts aus. Zwar ist für die einzelne Ware das Produkt aus Preis und
value of money von ihrem Wert verschieden, doch das Produkt aus den
aggregierten Geldlöhnen mit dem value of money ist gleich der bezahlten Arbeit
und das Produkt aus den aggregierten Profiten und dem value of money ist gleich
der unbezahlten Arbeit.
[20]) Ein im wesentlichen ähnlicher
Ansatz wurde von Roberts (1987) präsentiert. Mit dem Argument, daß Werte und
Preise nicht unabhängig voneinander bestimmt werden könnten, sowie einigen
Zitaten aus den "Theorien über den Mehrwert" plädiert er außerdem
dafür, auch im Wertsystem die Produktionsmittelinputs zu Produktionspreisen zu
berechnen, so daß dann sogar die Wertsumme gleich der Preissumme ist.
[21]) Eine Relation R auf einer
Menge M ist eine Äquivalenzrelation falls für alle Elemente a,b von M gilt: aRa
(Reflexivität), aus aRb folgt bRa (Symmetrie), aus aRb und bRc folgt aRc
(Transitivität).
[22]) Allerdings läßt sich die
Frage nach dem "Wert" einer einzelnen Ware auch im Rahmen von Krauses
Relationenlogik formulieren. Falls nämlich die Wertrelation eine Äquivalenzrelation
ist (und nur dann) definiert sie auf der Menge der Waren eine
Klasseneinteilung. Die Frage nach dem Wert der einzelnen Ware ist dann die
Frage, ob der kanonischen Surjektion von der Menge der Waren auf die Menge der
Äquivalenzklassen eine ökonomische Eigenschaft der Waren zugrundeliegt, nämlich
ihr "Wert".
[23]) Krauses formale über
Relationen definierte Einführung von Geld führt zur Möglichkeit von Warentausch
ohne, mit einer oder mit mehreren Geldwaren, im Extremfall kann sogar jede Ware
Geldware sein.
[24]) Die Matrix der physischen
Inputs und der Arbeitsmengen reicht jetzt nicht mehr aus um die Werte eindeutig
festzulegen, da es sich um n Gleichungen (für n Produkte) aber um 2n Unbekannte
(n Werte und n Reduktionskoeffizienten) handelt.
[25]) Wie flexibel dieses System
ist, kann man aus der von Krause formulierten "Standardreduktion" ersehen.
Er hebt selbst hervor, daß sie keineswegs zwingend ist, ihm selbst erscheint
sie aber plausibel. Diese Standardreduktion führt nicht nur zu der geforderten
Proportionalität von Werten und Preisen sondern auch zu einer gleichen
organischen Zusammensetzung in allen Sphären (Krause 1979b, S.156f).
[26]) Dabei geht es ihnen
ausdrücklich nicht um monopolistische Schranken, sondern um "vollkommene
Konkurrenz", die aber auch technischen Fortschritt etc einschließt,
Momente die Profitratenunterschiede hervorrufen können.
[27]) Während die Zufallswerte bei
den Normalverteilungen um einen Mittelwert konzentriert und die Abweichungen
von diesem Mittelwert symmetrisch sind, sind bei einer Gammaverteilung die
Werte um einen vom Mittelwert verschiedenen Wert konzentriert, so daß auch die
entsprechende Kurve nicht mehr symmetrisch ist. Für die Profitrate schlagen
Machover/Farjoun eine Verteilung vor, bei der vernachlässigbar wenig Kapitale
eine negative Profitrate erzielen und der Bereich, in dem die Profitraten der
relativ meisten Kapitale konzentriert sind, etwas unterhalb der rechnerischen
Durchschnittsprofitrate liegt.
[28]) Daher läßt sich die Marxsche
Werttheorie auch nicht "beweisen", da Beweise nur innerhalb eines bereits
gegebenen Paradigmas möglich sind: was als Beweis akzeptiert wird, hängt selbst
vom jeweiligen Paradigma ab.
[29]) In "Zur Kritik der
politischen Ökonomie" wirft Marx Smith daher vor, daß er "die
objektive Gleichung, die der Gesellschaftsprozeß gewaltsam zwischen den
ungleichen Arbeiten vollzieht, für die subjektive Gleichberechtigung der
individuellen Arbeiten" (MEW 13, S.45) hält.
[30]) Dies wird im ersten Kapitel
des "Kapital" allerdings weniger deutlich als in "Zur Kritik der
politischen Ökonomie", wo sich auch der umstrittene Rekurs auf das
"gemeinsame Dritte" nicht findet.
[31]) In die deutsche Diskussion
wurde dieser Begriff von Backhaus (1974, 1975) eingeführt, der die Marxsche Werttheorie
als Kritik prämonetärer Werttheorie verstanden wissen wollte. Im
angelsächsischen Raum wurden ähnliche Konzepte (allerdings mit erheblichen
Unterschieden bei den einzelnen Autoren) vor allem in Auseinandersetzung mit
der lange vorherrschenden von Sweezy, Dobb und Meek repräsentierten Auffassung
einer "embodied labour theory of value", d.h. einer Auffassung die
Wert wesentlich produktionsseitig durch die verausgabte Arbeitsmenge bestimmt,
vertreten (Himmelweit/Mohun 1978, 1981, Elson 1979, Eldred/Hanlon 1981, Mohun
1984). Im Anschluß an bestimmte Konzepte Agliettas wurden Ansätze einer
monetären Werttheorie auch von DeVroey (1981,1982) vorgelegt, an die in
jüngster Zeit Stanger (1988) anknüpfte.
[32]) Dies wird von Marx in
"Zur Kritik..." deutlicher gemacht als im "Kapital":
"Die gesellschaftliche Arbeitszeit existiert sozusagen nur latent in
diesen Waren und offenbart sich erst in ihrem Austauschprozeß. (...) Die
allgemein gesellschaftliche Arbeit ist daher nicht fertige Voraussetzung,
sondern werdendes Resultat." (MEW 13, S.31f)
[33]) Ricardo kannte auch den
allgemeinen Fall, daß das Wertverhältnis der Waren vom Verhältnis der respektiven
Arbeitsmengen abweichen muß um eine für beide Produzenten gleiche Profitrate zu
ermöglichen. Es kam ihm allerdings darauf an zu zeigen, daß im Gegensatz zu der
allgemeinen auf Smith zurückgehenden Auffassung, Lohnerhöhungen müßten zu
Erhöhungen des Preises führen, sich der Preis bestimmter Waren aufgrund von
Lohnerhöhungen auch senken könnte. Dann nämlich wenn aufgrund der allgemeinen
Lohnerhöhung die Durchschnittsprofitrate fällt und bei Kapitalien die sehr
wenig direkte Arbeit anwenden, die Lohnerhöhung durch die gesunkene Profitrate
überkompensiert wird.
[34]) Eine ausführliche
Auseinandersetzung mit dem geld- und kapitaltheoretischen Erklärungswert der Werttheorie
findet sich bei Stanger (1988, Kap.2)
[35]) Auch hier gibt es Probleme in
der Marxschen Darstellung, die in der gängigen, quantitativ orientierten
Transformationsdebatte meistens ausgeblendet bleiben. Im 10.Kapitel des dritten
Bandes des "Kapital" stellt Marx die doppelte Bewegung der Konkurrenz
innerhalb der Sphären und zwischen ihnen als den Mechanismus dar, der die Verwandlung
von Werten in Produktionspreise bewirkt. Die Konkurrenz der Kapitalisten geht
aber nie von einem Wertsystem aus sondern immer schon von einem gegebenen
Preissystem. Die Konkurrenz der einzelnen Kapitalisten kann daher nicht den
Übergang von Werten zu Produktionspreisen erklären, sondern nur von einem
"deformierten" Produktionspreissystem zu einem das wieder für jede
Branche annähernd die selbe Profitrate hervorbringt. Der Übergang von Werten zu
Preisen ist aber auch keiner der eine solche Erklärung verlangen würde, da es
sich um einen begrifflichen Übergang und nicht um eine Zustandsänderung in der
realen Zeit handelt.
[36]) Daß Marx selbst in zuweilen
dubioser Weise von solch einem Wertsystem ausgeht, zeigt sich nicht nur bei seinem
Versuch einer quantitativen Wert-Preis Transformation sondern auch in seiner
Theorie der absoluten Rente.
[37]) Die uneingestandenen
Voraussetzungen der Neoricardianer untersuchte Ganßmann (1981).
[38]) Wem die Auffassung von Werten
als prinzipiell nicht empirischen Größen zu metaphysisch ist (so verlangte etwa
Eberle (1979), daß die Wert-Preis Transformation in empirisch zu überprüfenden
Aussagen münden müsse) sei auf das Beispiel der Physik verwiesen: weder das
Potential eines klassischen Feldes und erst recht nicht die Wellenfunktion
eines quantenmechanischen Objekts sind meßbare Größen, sondern rein
theoretische Konzepte. Hätte sich die Physik nur auf beobachtbare Größen
beschränkt, wäre sie nicht sehr weit gekommen.